Wirtschaft und Weiterbildung 3/2018 - page 19

4 Seminare mit einer
Aufgabe starten
Um etwas dauerhaft zu behalten, muss
man sich das Neue als Lösung eines Pro­
blems selbst erarbeiten.
Man kann Wissen prinzipiell auf zwei
verschiedene Arten vermitteln. Entweder
man erklärt zunächst ein grundlegendes
Konzept und wendet das dann praktisch
an. So könnte man das mathematische
Prinzip der Standardabweichung erklären
und anschließend ein paar Übungsauf­
gaben rechnen lassen. Das ist laut Beck
aber nur die zweitbeste Möglichkeit. Bes­
ser sei es, mit einem konkreten Beispiel
die Neugier der Lernenden zu wecken.
Ein Mathelehrer könnte zu seinen Schü­
lern sagen: Ihr seid Manager eines Bas­
ketballclubs. Ihr müsst aus zwei Spielern
einen auswählen, der im entscheidenden
nächsten Spiel die Mannschaft zum Sieg
führt. Die Schüler erhalten die Wurf­
statistiken der beiden Spieler und merken
durch herumprobieren, dass sie mit dem
Vergleich der Standardabweichungen
weiterkommen. Beck: „Anschließend
sind die Schüler viel offener für mathe­
matische Konzepte und vergessen sie
auch nicht so leicht.“
Gute Wissensvermittlung ist für den
Neurobiologen wie ein Weihnachtsge­
schenk: Der Lehrer stellt eine Frage oder
Aufgabe und präsentiert die Antwort als
verpacktes Geschenk. Die Schüler müs­
sen das Geschenk selbst auspacken (also
unterschiedliche Lösungsansätze auspro­
bieren) und sich die Antwort selbst erar­
beiten. Die Lehrkraft muss natürlich am
Ende dafür sorgen, dass das Wissenspa­
ket ausgepackt ist, die Lösung muss klar
und robust kommuniziert werden und
dann müssen aber auch noch Übungsauf­
gaben gemacht werden. Man kann nicht
einfach Wissen bereitstellen und hoffen,
dass die Menschen es verstehen. Das
wird der Art und Weise, wie Menschen
lernen, nicht gerecht.
5 Auch aus den Fehlern
anderer lernen
In diesem Zusammenhang stellt sich die
Frage, ob man aus den Fehlern anderer
lernen kann. Eigene Fehler behält man
laut Beck natürlich besser im Gedächtnis,
weil sie mit Emotionen verbunden sind.
Aber man kann sich auch Verhaltenswei­
sen von anderen abschauen. Aus den Feh­
lern anderer zu lernen ist gewissermaßen
eine „negative Imitation“. Wir Menschen
orientieren uns ohnehin oft an anderen
Menschen, imitieren ihr Verhalten, denn
es hat Vorteile, nicht jeden Fehler selbst
zu machen. Es gibt Regionen und Netz­
werke im Gehirn, die für Imitationsver­
halten verantwortlich sind, und diese
Areale kann man mit Negativbeispielen
füttern. Beck: „Natürlich funktioniert das
auch über Gedankenexperimente. Sie sind
nicht so intensiv, aber besser als nichts.“
6 Der Glaube an „Lerntypen“
hilft nicht weiter
„Kein wissenschaftliches Experiment hat
diese Lerntypen bestätigen können“, be­
richtet Beck. Das Gehirn arbeitet nach
dem Prinzip eines Netzwerks. Neue Infor­
mationen werden in die feine Architektur
der Nervenzellverbindungen eingepasst.
R
Buchtipp I.
Henning Beck: Irren ist nützlich:
Warum die Schwächen des Gehirns unsere
Stärken sind, Carl Hanser Verlag, München
2017, 316 Seiten, 20 Euro.
Buchtipp II.
Henning Beck: Hirnrissig – die
20,5 größten Neuromythen – und wie
unser Gehirn wirklich tickt, Goldmann Ver-
lag, München 2014, 320 Seiten, 9,99 Euro.
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