Wirtschaft und Weiterbildung 3/2018 - page 18

titelthema
18
wirtschaft + weiterbildung
03_2018
04.
Moderne Menschen
beherrschen das
Multitasking.
05.
Im Schlaf
macht das Gehirn
zur Erholung eine Pause.
06.
Mit Brainfood kann man sich
gezielt
schlau essen.
R
oder falsch ist. Wenn ein Mensch einen
Fehler macht, dann sorgt ein Automatis­
mus dafür, dass er blitzartig stutzt, da­
durch etwas langsamer wird und anfängt,
sorgfältiger zu arbeiten. Man macht nach
einem Fehler seltener einen zweiten.
Beck nennt das den „Fehleraufschrei im
Gehirn“.
2 Fehler und Irrtümer
können nützlich sein
Unser Gehirn geht also „bauartbedingt“
das Risiko ein, auch mal einen Fehler zu
machen, indem es viele konkurrierende
Denkmuster erzeugt, von denen sich
auch mal ein „falsches“ Muster durchset­
zen kann. Eine fehlerfreie Welt darf man
sich laut Beck als nicht besonders pro­
gressiv vorstellen. Sie wäre statisch, stabil
und fortschrittsfeindlich, denn ohne das
Risiko, einen Fehler einzugehen, gibt es
auch nicht den Mut für Neues.
Ein Motto, das der Neurobiologe seinen
Zuhörern mit auf den Weg gabt, lautete:
„Intelligenz reicht nicht, um die Welt zu
beherrschen. Man muss auch noch ein
bisschen verrückt sein und die Spiel­
regeln brechen, anstatt sie immer nur zu
befolgen.“ Viele wissenschaftliche Fort­
schritte sind übrigens mehr oder weni­
ger zufällig entstanden. Ein Forscher ließ
zum Beispiel unabsichtlich eine Bakte­
rienkultur verschimmeln und entdeckte
so das Penicillin. Gerade weil ein Fehler
auch das Potenzial für eine Verbesserung
bergen kann, hat sich in der Evolution
eben genau dieses fehlerbehaftete Den­
ken und Handeln durchgesetzt. Damit
geht das Gehirn das Risiko ein, dass es
manchmal Blödsinn erzeugt. Doch dieses
Risiko ist gerechtfertigt, weil die Mensch­
heit nur so anpassungsfähig bleibt.
Einen Fehler zu machen, ist nur der erste
Schritt. Genauso wichtig ist es, Feedback
zu bekommen und sein Verhalten dann
entsprechend anzupassen. Kritik darf
aber nicht zu einer persönlichen Nie­
derlage führen. Bei der Produktion von
Lebensmitteln oder der Installation eines
Stromkabels dürfen keine Fehler passie­
ren. Aber wenn das Gehirn dabei ist, sich
neues Wissen anzueignen, dann gelingt
das nur, wenn man sich traut, Fehler zu
machen. Wir haben Angst vor Schlangen,
aber keine Angst vor Fehlern. Das Gehirn
bestraft niemanden für seine Fehler, denn
wer Angst hat, eine falsche Entscheidung
zu treffen, der wird niemals die richtige
Entscheidung finden.
3 Erinnerungen können uns
täuschen
„Ein falsches Gedächtnis ist besser als gar
keins“, sagt Beck. Viele Menschen den­
ken, das Gedächtnis habe die Aufgabe,
die Vergangenheit korrekt wiederzuge­
ben. Doch das ist nicht so. Das Gedächt­
nis soll sicherstellen, dass wir uns im Hier
und Jetzt richtig verhalten. Dazu muss
das Gehirn Erinnerungen verändern,
verfälschen und sogar vergessen. Interes­
santerweise sind die Areale, die unsere
Erinnerung verzerren, die gleichen, die
unsere Zukunft planen und uns ermögli­
chen, andere Perspektiven einzunehmen.
Der Experte warnt: Wäre das Gedächtnis
perfekt, wäre es so statisch, dass man
sich nicht die Zukunft vorstellen könnte.
Man kann sowieso nur die Gegenwart
beeinflussen, deshalb ist Zeitempfinden
eine Erfindung des Gehirns. Kurze inten­
sive Momente werden in der Vergangen­
heit länger, lange und langweilige Passa­
gen werden in der Erinnerung ganz kurz.
Das menschliche Gehirn gilt unter Neuro­
biologen als die fehlerhafteste und gleich­
zeitig innovativste Struktur der Welt. Die
aktuellen Erkenntnisse der Hirnforschung
– insbesondere jene, die das Lernen und
die Kreativität betreffen – lassen sich laut
Beck in folgenden zentralen Punkten zu­
sammenfassen:
1 Fehler und Irrtümer sind
nicht zu vermeiden
Jeder Mensch macht selbst bei einfachen
Tätigkeiten, die er schon oft genug wie­
derholt hat, Flüchtigkeitsfehler. Selbst
tausendfach eingeübte Abläufe laufen
aus dem Ruder. Beck hatte für seine Zu­
hörer eine einfache Erklärung parat: „Das
hängt damit zusammen, dass unser Ge­
hirn kein Automat ist, der einen einpro­
grammierten Ablauf ständig wiederholt.“
In unserem Gehirn kämpfen permanent
unterschiedliche Handlungsmuster ge­
geneinander. Es gibt ein ständiges durch­
einander verschiedener Muster. Das gilt
auch dann noch, wenn sich ein erfolg­
reiches Muster irgendwann einmal durch­
setzt. Bei den vielen Sinnesreizen, die auf
uns einströmen, ist es nur wahrschein­
lich, dass das dominante Muster einen
Aussetzer hat und schon ist ein Flüchtig­
keitsfehler passiert.
Beck ist sich sicher: „Fehler sind unaus­
weichlich, denn so ein System wie unser
Gehirn kann niemals perfekt arbeiten.
Das richtige Handlungsmuster „arbei­
tet“ zwar immer besser, doch eben nie
perfekt.“ Gerade weil man Fehler nicht
vermeiden kann, muss man das Beste
daraus machen. Und das heißt, man
muss lernen! Die Gürtelrinde als Teil des
Stirnhirns ist dafür zuständig, schnell zu
entscheiden, ob eine Handlung richtig
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