wirtschaft und weiterbildung 1/2017 - page 25

gab, welche Expertenposition zu ihnen
passt und glaubwürdig nach außen dar­
gestellt werden kann.
Das gerade in diesem Artikel beschrie­
bene Beispiel einer Talkshow zum Thema
„Braucht Deutschland bessere Führungs­
kräfte?“ hat einen entscheidenden Nach­
teil: So eine Talk-Sendung wird es losge­
löst von einem aktuellen Fall oder Skan­
dal eher nicht geben, weil das Thema
viel zu uninteressant für die Masse der
Fernsehzuschauer ist. Talkshows müssen
„Quote bringen“ und das schaffen sie
nur mit Themen wie „Rentensicherheit“,
„Zwei-Klassen-Medizin“, „Generation
Praktikum“ und mit Abstrichen ist auch
das Thema „Arbeitsmarkt“ noch massen­
tauglich. Oberflächlich betrachtet würde
das bedeuten, dass es ein Trainer mit
Führungsthemen nie in eine der großen
Talkshows schafft.
Aber Lea und Jochen Maass wissen Rat:
Es kommt darauf an, das eigene Spezial­
thema geschickt mit den großen gesell­
schaftlichen Themen zu verbinden. Wenn
es in Deutschland (nationaler Bezug ist
immer wichtig) – wie vor kurzem in
der Schweiz – mehrere Selbstmorde von
TopManagern gäbe, dann wäre jede Talk-
Redaktion auf der Suche nach einem Ma­
nagementtrainer oder Business-Coach,
der bereit ist, aus eigener Anschauung
über die Lebens- und Arbeitsbedingun­
gen von Top-Managern zu berichten.
Wenn es ein prominentes Beispiel gibt,
dann interessieren sich Talkshows auch
für das „Versagen der Eliten“. Ein Trainer,
der sich zum Thema „Aus Fehlern ler­
nen“ profiliert hätte, wäre wohl in solch
einem Talk willkommen. Wenn sich der
Pilotenstreik der Lufthansa massiv zuspit­
zen sollte, wäre jede Talkshow-Redaktion
auch glücklich, wenn sie einen Konflikt­
managementtrainer oder einen Mediator
finden würde, der schildern könnte, was
künftig getan werden müsste.
Um erfolgreich zu sein, setzen die großen
Polit-Talkshows nicht nur auf massen­
taugliche Themen. Diese Themen müs­
sen auch noch von höchster Aktuali­
tät sein. Nur wenn eine Talkshow das
wichtigste Thema einer Woche erwischt,
erreichen sie auch die größtmögliche
Anzahl der Zuschauer. „Früher dachte
man, die Aussicht auf Streit oder die An­
wesenheit von Prominenten erhöhe die
Quote“, berichtet Maass. „Aber heute
wissen wir, dass es in erster Line an der
Themenwahl liegt.“ Um das brennendste
Thema der Menschen zu finden, werten
die Talkshow-Redakteure laut Maass vor
allem Tageszeitungen und Magazine aus
– bei den Boulevard-Themen sind „Bild“
und „Stern“ die Trendsetter. Bei den an­
spruchsvolleren Themen fällt diese Rolle
der „Süddeutschen Zeitung“ und dem
„Spiegel“ zu. Trainer und Berater lernen:
Sobald Schlagzeilen und Kommentare ein
gesellschaftliches Thema erkennen las­
sen, auf das man aufspringen kann, sollte
man sich mit einem pointierten Stand­
punkt bei den Talk-Redaktionen melden
und sich als Experte anbieten. Das ist
das genaue Gegenteil der Strategie „Ich
schreibe ein Buch und warte, bis mich
eine Redaktion entdeckt.“
Fazit
Hinter den großen Qualitäts-Talkshows
von ARD und ZDF stehen Redaktionen,
die sehr gute Optimierer sind. Sie haben
im Lauf der Jahre Talk-Spielregeln entwi­
ckelt, die das Zuschauerinteresse nach­
weislich treffen („Quote“). Diese Spiel­
regeln gelten ohne Ausnahme: So müs­
sen Pro- und Kontra-Experten mit klaren
Standpunkten gegeneinander antreten,
ihre festgelegten Rollen durchhalten und
dabei authentisch wirken. Wer lieber
absichtslos Argumente austauscht und
auf Zwischentöne achtet, der sollte den
Polit-Talk meiden. Lea und Jochen Maass
haben sich zwar zur Aufgabe gemacht,
neuen Gesichtern in die „harten“ Talk­
shows zu helfen, aber sie unterstützen
Trainer und Berater auch dabei, softere
Formate bei Spartensendern oder den
Morgenmagazinen zu finden – „maass-
genau“ wie der Name ihres Medienbüros
es verspricht.
Martin Pichler
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