wirtschaft + weiterbildung
09_2017
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leons ein, als ein reicher Mann ver-
suchte, Einfluss auf den Verlauf eines
Kriegs zu nehmen und …).
Die Geschichten-Metapher (siehe dazu
auch die nächste Doppelseite) gilt als
die wirksamste Form der Metapher. Mit
ihr kann ein bildhafter Vergleiche ange-
stellt werden, der nicht nur die Kraft hat,
Wissenshorizonte zu erweitern, sondern
auch Entscheidungen zu beeinflussen.
Ein Beispiel für eine nützliche Geschich-
ten-Metapher liefert der Existenzgrün-
dungsberater einer süddeutschen IHK.
Nach seinen Vorträgen auf Gründer-
messen kamen immer sehr viele poten-
zielle Gründer zu ihm in die persönliche
Sprechstunde, doch nur die Wenigsten
waren am Ende bereit, den Kraftakt der
Existenzgründung durchzuziehen.
Der Berater entschied sich, gleich zu Be-
ginn seiner Vorträge in die Offensive zu
gehen: „Sich eine Existenz aufzubauen ist
dasselbe wie ein Haus zu errichten“, er-
klärte er. „Der schwierigste Abschnitt, auf
den Sie viel Sorgfalt verwenden sollten,
ist das Fundament. Auf seine Errichtung
entfällt ein großer Teil Ihrer Arbeitszeit.
Es ist der schmutzigste Teil der Arbeit,
den Sie leisten müssen. Es ist der Teil,
der später verdeckt sein wird. Aber ein
Gebäude steht nun einmal auf einem
Fundament. Lassen Sie mich Ihnen jetzt
erläutern, welches Fundament ein Exi-
stenzgründer benötigt.“ Mit diese Me-
tapher konnte der Berater verhindern,
dass zu viele Unentschlossene „drauflos“
gründen wollten. Andererseits gab das
inspirierende Bild vom Hausbau einigen
Menschen die Kraft, etwas zu wagen,
was sie sich wenige Stunden vorher noch
nicht vorstellen konnten.
4 Von Heldenreisen erzählen
Eric Mayer veröffentlichte im Jahr 2014
die wissenschaftliche Arbeit „TV-Wissen-
schaftsmagazine auf Heldenreise“. Darin
untersuchte er, ob das Stilmittel einer
emotionalisierenden Heldendramaturgie
auch in moderierten TV-Wissenschafts-
magazinen seinen Platz hat. Obwohl Yo-
geshwar in seinen Sendungen oft „nur“
sogenannte „Erklärstücke“ liefert, die sich
mit einer Aneinanderreihung von Fakten
begnügen, fand Mayer immerhin in rund
40 Prozent der Beiträge von „Quarks &
Co.“ auch Grundmerkmale der Erzähl-
form der „Heldenreise“. Hauptfigur einer
Heldenreise war zu 50 Prozent eine Per-
son – zum Beispiel ein Winzer, der sich
unterstützt von Wissenschaftlern einer
nahen Uni auf die Suche nach einem rein
biologischen Schädlingsbekämpfungsmit-
tel machte, bei der Erprobung eines be-
stimmten Mittels Rückschläge erlitt und
erst erfolgreich war, nachdem er seinen
Betrieb radikaler als geplant umstellte.
Wenn er über Politik redet, fällt Yogesh-
war auch ein treffender Vergleich ein.
Dann denkt er nämlich an das Zeitalter
der Aufklärung zurück. Der Begriff Auf-
klärung bezeichnet die um das Jahr 1700
einsetzende Entwicklung, durch ratio-
nales, an der Vernunft orientiertes Den-
ken alle den Fortschritt behindernden
Strukturen zu überwinden. Die heutige
Situation weckt bei ihm die Angst, viele
Länder könnten sich wieder zurück in die
Zeit vor der Aufklärung, in die Dunkelheit
des Mittelalters, katapultieren. Alterna-
tive Fakten und Verschwörungstheorien
sind auf dem Vormarsch. Der Wissen-
schaft schlägt viel Skepsis entgegen. In
den jeweiligen Internetforen hören die
Menschen nur das, was sie hören wollen
– zum Beispiel, dass es den Klimawandel
nicht gibt und die Evolution ein Hirnge-
spinst ist.
Yogeshwar fordert, die Wissenschaft
müsse sich in gesellschaftliche Debat-
ten intensiver einbringen. Die Logik der
Aufklärung müsse verteidigt werden: Zu
einer zivilisierten Gesellschaft gehöre der
offene Dialog und das kritische Hinter-
fragen. In der „Berliner Zeitung“ wurde
der Moderator deutlich: „Die Errungen-
schaften der Aufklärung sind die Basis
dafür, dass dieses Land stabil ist. Diese
Errungenschaften stehen nicht zur Dispo-
sition.“ In der letzten Zeit habe es etliche
Fernsehdebatten gegeben, in denen der
wissenschaftliche Sachverstand, gesi-
cherte Erkenntnisse, Statistiken nicht vor-
gekommen seien.
Um die Prinzipien der Aufklärung in Erin-
nerung zu rufen, ist Yogeshwar in Berlin
am Brandenburger Tor als Redner eines
„Science March“ aufgetreten. Seine Bot-
schaft: Wissenschaftler und Bürger müs-
sen alles dafür tun, dass Entscheidungen
auch in Zukunft wissensbasiert gefällt
werden. Allen, die Angst vor der Zukunft
und insbesondere vor der Digitalisierung
haben, empfiehlt er, den Fortschritt nicht
als Getriebene über sich ergehen zu las-
sen, sondern die Chancen des Neuen zu
erkennen und das Leben nach wie vor
aktiv zu gestalten. Wer sich traue und
sich mutig auf das digitalisierte Arbeits-
leben vorbereite, der werde überwältigt
sein von den neuen „Freiheitsgraden“ der
digitalen Kultur.
Yogeshwar hat sein neues Buch („Nächste
Ausfahrt Zukunft“), das am 5. Oktober
bei Kiepenheuer und Witsch erscheint,
diesem Thema gewidmet – genauso wie
seinen Vortrag „Eine Gesellschaft im Um-
bruch – wie Innovationen unsere Arbeit
beeinflussen“, den er am Donnerstag, 21.
September 2017, auf der Messe „Zukunft
Personal“ in Köln (Halle 2.1 Keynote-
Arena) halten wird.
Martin Pichler
Protest.
Ranga Yogeshwar trat am 22. April 2017 als Redner auf dem Berliner
„March for Science“ auf, um gegen die Feinde der Aufklärung zu protestieren.
Foto: Emmanuele Contini/Nurphoto via Getty Images