wirtschaft + weiterbildung
09_2017
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01.
... jemand wird sein
blaues
Wunder
erleben
02.
... ein Verhandlungspartner ist
genauso
stur wie ein Esel
03.
... ein Redner hat
den Nagel auf
den Kopf getroffen
R
Es war einmal ein König, der alle Jung-
frauen im Lande zu einem dreitägigen
Fest einlud, damit sein Sohn sich in Ruhe
eine Braut aussuchen kann. Durch einen
Zauber verwandelte sich ein unauffäl-
liges, unterdrücktes Mädchen namens
Aschenputtel in eine wunderschöne Prin-
zessin. Sie eroberte auf dem Fest, das sie
gegen den Willen ihrer bösen Stiefmutter
besuchte, das Herz des Königssohns. Da
der Zauber an allen drei Tagen nur bis
um Mitternacht anhielt, musste Aschen-
puttel immer überstürzt vom Ball ver-
schwinden. Am letzten Abend rannte sie
besonders schnell weg, weil der Königs-
sohn versuchte, ihr zu folgen. Sie verlor
dabei ihren linken Schuh. „Keine andere
soll meine Gemahlin werden als die, an
deren Fuß dieser Schuh passt“, sagte der
Königssohn und machte sich mit seinen
Leuten auf die Suche.
Grimms Märchen – nützlich für
alle, die Metaphern suchen
Dieses Märchen der Gebrüder Grimm fiel
demWissenschaftsjournalisten Ranga Yo-
geshwar ein, als er erklären sollte, wofür
der Franzose Jean-Marie Pierre Lehn im
Jahr 1987 zusammen mit anderen For-
schern mit dem Nobelpreis für Chemie
ausgezeichnet wurde. Der Chemiker hatte
eine Technik entdeckt, Moleküle dadurch
zu identifizieren, dass sie in einen be-
stimmten Hohlraum passen. Das Wesen
einlagerungsfähiger Hohlraummoleküle
mit einem Märchen zu erklären, war für
einen seriösen Journalisten damals be-
stimmt ein gewagtes Unterfangen und
hätte leicht als unwissenschaftlich oder
gar frauenfeindlich abgetan werden kön-
nen. Tatsache ist, dass Yogeshwar dank
solcher Metaphern sehr schnell in den
Ruf kam, der „Wissensvermittler der
Nation“ zu sein. Bei der Verleihung des
Medienpreises für Sprachkultur im Jahr
2014 hieß es unter anderem: „Yogesh-
war ist ein einzigartiger Übersetzer von
Wissenschaft in Sprache“. 2009 erhielt
der Journalist die Ehrendoktorwürde der
Universität Wuppertal, weil er „wesent-
lich zum Technikverständnis in unserer
Gesellschaft beigetragen hat“.
Atomkraftwerk aus Textmar-
ker, Wasserglas und Sektkübel
Legendär ist auch der Auftritt des Mode-
rators in einem „ARD-Brennpunkt“, der
am 13. April 2011 ausgestrahlt wurde. An
diesem Tag kam es zu der Nuklearkata-
strophe von Fukushima. Mit einem Text-
marker (Symbol für einen Brennstab),
einem Wasserglas (= Druckbehälter im
Innern) und einem Sektkübel (= Außen-
hülle des Reaktorgebäudes) erklärte er,
warum und wie genau ein Siedewasser-
reaktor gekühlt werden muss. Er machte
klar, dass es sinnvoll ist, im Notfall auch
Meerwasser in das Reaktorgebäude zu
pumpen. Am nächsten Tag hätten Jour-
nalisten bei ihm angerufen und gesagt:
„Danke, jetzt hab ich es auch verstan-
den“, berichtete Yogeshwar.
1987 startete Yogeshwar, nach seinem
Studienabschluss zum Diplom-Physiker
an der RWTH Aachen, seine Laufbahn als
Wissenschaftsredakteur beim Westdeut-
schen Rundfunk in Köln. Nachdem sein
Talent erkannt worden war, entwickelte
der WDR für ihn die Sendung „Quarks
& Co“, durch die er seit 1993 führt. Von
1989 bis 1999 war er Co-Moderator der
Sendung „Kopfball“. Bis 2002 präsentierte
er das Umweltmagazin „Globus“ und
von 2006 bis 2007 die Sendung „W wie