wirtschaft und weiterbildung 9/2017 - page 28

personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
09_2017
gene Organisation zu integrieren. Bei sol-
chen Mergers wird in der Regel das Top­
management weitgehend ausgetauscht
– auch deshalb, weil es den Alphatieren
auf der Topebene meist schwerfällt, in die
zweite Reihe zu treten.
Frage: Was für ein
Management brauchen wir?
Nehmen wir an, der Investor hat seine
Übernahmeziele definiert. Er weiß
zudem, welche Struktur und Kultur das
akquirierte Unternehmen hierfür nach
der Übernahme braucht. Dann kann er
im nächsten Schritt Folgendes definieren:
• Wie soll das Management des über-
nommenen Unternehmens künftig
strukturiert sein?
• Welches Profil müssen die Personen
haben, die dort die Top-Positionen in-
nehaben?
Dies ist wiederum die Voraussetzung, um
zu prüfen, welche der bisherigen Top-
Executives weiterhin auf der Payroll des
Unternehmens stehen sollen und welche
nicht.
Dies zu ermitteln ist im Vorfeld von Über-
nahmen meist nur bedingt möglich. Zwar
haben die Investoren oft schon Zugriff auf
die Organigramme, die zeigen, wer im
Unternehmen auf welcher Position sitzt.
Aus diesen Datenblättern geht aber nicht
hervor, wie Entscheidungen real getroffen
werden. Aus ihnen ist auch nicht ersicht-
lich, wie effektiv die Leiter der Bereiche
zusammenarbeiten oder wie diese als
Person „ticken“.
Hierüber können die Investoren im Vor-
feld von Übernahmen oft nur über Um-
wege erste Informationen gewinnen –
zum Beispiel durch ein Analysieren der
ihnen zur Verfügung stehenden betriebs-
wirtschaftlichen Daten oder durch das
Befragen von externen Partnern wie Kun-
den und Lieferanten. Diese Informationen
genügen aber gerade bei der zweiten und
dritten Führungsebene, die nicht so stark
im Rampenlicht steht, meist nicht, um zu
ermitteln, inwieweit die Stelleninhaber
die Anforderungen für die Übernahme
einer Top-Position erfüllen.
Die Prüfung so früh wie
möglich durchführen
Deshalb kann die eigentliche Leadership-
Due-Diligence-Prüfung in der Regel erst
nach der Übernahme erfolgen. Dann
sollte sie jedoch schnellstmöglich gesche-
hen, damit die Führungskräfte Gewiss-
heit über ihr Schicksal erhalten und ihren
Mitarbeitern den Halt geben können, den
diese in Umbruchsituationen brauchen.
Also muss die Leadership-Due-Diligence-
Prüfung zum Übernahmezeitpunkt be-
reits vorbereitet sein.
Eine Leadership-Due-Diligence-Prüfung
lässt sich mit einem Management-Audit
vergleichen, bei dem mit einer Batterie
von Instrumenten versucht wird, einzu-
schätzen, inwieweit die oberen Führungs-
kräfte einer Organisation
• über die nötigen Kompetenzen verfü-
gen, um ihren Beitrag zum Erreichen
der Unternehmensziele zu leisten, be-
ziehungsweise
• inwieweit sich diese in der neuen Un-
ternehmenskultur zurechtfinden wür-
den, wenn beispielsweise eine stark
unternehmerisch geprägte Organisation
in eine prozessgetriebene Kultur inte­
griert wird.
Der einzige Unterschied bei einer Leader-
ship-Due-Diligence-Prüfung ist, dass hier
die zentralen Fragen lauten:
• Welche Top-Executives verfügen über
die Fähigkeiten und Eigenschaften, die
künftig auf der Managementebene des
übernommenen Unternehmens benö-
tigt werden?
• Kann das bisherige Führungsteam auch
unter den geänderten Rahmenbedin-
gungen die gewünschte Wirkung ent-
falten, oder sind personelle und struk-
turelle Veränderungen nötig?
Das heißt: Bei einer Leadership-Due-
Diligence-Prüfung ist das Audit auf die
angestrebten Veränderungen und die
Ziele des neuen Eigners fokussiert. Dies
ist wichtig – denn bei Übernahmen gilt:
Oft sind gerade die Top-Executives, die
im akquirierten Unternehmen in der Ver-
gangenheit die „Erfolgsgaranten“ waren,
die „Bremser“, wenn es um das Erreichen
der neuen Ziele geht, wie diese Beispiele
zeigen.
Beispiel 1:
Feindliche Übernahme
Ein Anlagenbauer möchte einen Mitbe-
werber übernehmen. Gegen diese „feind-
liche Übernahme“ wehrt sich dessen Fi-
nanzvorstand vehement – letztlich aber
erfolglos, was der Finanzvorstand auch
als persönliche Niederlage empfindet.
Anschließend fällt es ihm vermutlich
schwer, sich mit den neuen Gegebenhei-
ten zu arrangieren und mit den neuen
Zielen zu identifizieren. Also müssen sich
die neuen Eigner fragen: Ist er – ungeach-
tet seiner Kompetenz als Finanzvorstand
– für uns der richtige Mann?
Beispiel 2:
Übernahme durch größten Mitbewerber
Ein IT-Unternehmen wird von seinem
härtesten Mitbewerber geschluckt, über
dessen Produkte sich der Vertriebsleiter
des übernommenen Unternehmens bis-
her stets abfällig äußerte – teils aus tak-
tischen Gründen, teils aus Überzeugung.
Dann müssen sich die neuen Eigner fra-
gen: Kann der bisherige Vertriebsleiter
auch künftig diese Funktion bekleiden?
Verliert er nicht seine Glaubwürdigkeit,
wenn er plötzlich die Produkte des ehe-
maligen Mitbewerbers lobt und vertreibt?
Zuweilen wird das Ergebnis der Prüfung
lauten: „Wir brauchen Herrn Müller noch
in einer Übergangsphase. Doch danach
...“ Dann sollten die neuen Eigner jedoch
wenn möglich mit offenen Karten spie-
len und mit dem Manager ein Agreement
aushandeln, das den Interessen aller Be-
teiligten entspricht.
Stephan Jansen
R
Stephan Jansen
ist geschäftsfüh­
render Gesell­
schafter der M&A-
und PMI-Beratung
„Beyond the Deal Deutschland“,
Frankfurt. Das Beratungsunterneh­
men unterstützt vorrangig Mittel­
ständler beim Kauf und Verkauf von
Unternehmen sowie Unternehmens­
teilen und bei deren Integration.
Beyond the Deal Deutschland
Westhafenplatz 1
60327 Frankfurt am Main
Tel. 069 710456503
AUTOR
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