Wirtschaft und Weiterbildung 7-8/2017 - page 25

wirtschaft + weiterbildung
07/08_2017
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Menschseins keine Antwort zu haben.
Nicht umsonst steht im alten Delphi: „Er-
kenne Dich selbst!“. Wer sich als Trainer
selbst erkennt – soweit eine gute Selbst-
reflexion auch reicht –, der kann auch
andere besser erkennen, da die eigenen
Projektionen auf andere nicht im Wege
stehen. Die zukünftigen Präsenztrainings
fordern immer mehr Persönlichkeitsent-
wicklung und Antworten auf die Sinn-
suche ein. Wer sich da als Trainer etwas
vormacht, kann meist nur noch verlie-
ren, denn die Teilnehmenden profitieren
von einem reifen Gegenüber. Eine solche
Wanderung wie die einer Alpenüberque-
rung ist eine solche Zeit, sich mit sich
selbst und seinen aktuellen Hausaufga-
ben der persönlichen Klärung und seiner
Weiterentwicklung auseinanderzusetzen.
Für mich war es aber auch eine wichtige
Arbeitszeit, um meine aktuellen Buchpro-
jekte weiter zu bedenken und zu „bebrü-
ten“. So schrieb ich unterwegs viele Texte,
per Notiz während der Wanderung, die
ich abends in den Hütten sitzend, dann
weiterführte oder auch per Sprachmemo,
die ich dann abschreiben ließ. Ebenso
entstanden neue Trainingsmethoden.
Innerlich aufräumen
Eine Aufgabe jedoch war mir wichtig und
sicher hat sie auch damit zu tun, dass ich
mich auch als Schriftstellerin verstehe:
Ich habe in einem Maße, mit dem ich
mich wohlgefühlt habe, über meine per-
sönlichen Erlebnisse, Eindrücke und Fra-
gen geschrieben. Damit möchte ich zum
einen – auch gelöst von mir selbst – an-
dere daran teilhaben lassen, ohne dass sie
mitwandern müssen. Und zum anderen
konnte ich dadurch selbst noch einmal
mein Erleben besser reflektieren. So gab
es Eindrücke zu Erfahrungen wie:
• Man muss sich mit der eigenen Müdig-
keit und Erschöpfung auseinanderset-
zen
• Die erlebte Ehrfurcht vor den Naturge-
walten hilft, eigene Ängste noch einmal
neu kennenzulernen.
• Scheitern zu lernen und sich dabei
selbst zu achten und anschauen zu
können, hilft noch mehr Frieden mit
sich selbst zu schließen.
• Und schlussendlich göttliche Glücks-
momente alleine zu verarbeiten, stärkt
die innere Balance und Kraft. Ich
konnte es kaum glauben, dem Himmel
so nah zu sein und dabei solch inten-
sive Naturgewalt in vollkommener Har-
monie zu erleben – einzigartig, perfekt,
harmonisch und unvergesslich.
Doch sorgt sicher mein – wie ich finde –
gesundes, balanciertes Selbstbewusstsein
dafür, dass es mir möglich ist, diese In-
neneinsichten zu gewähren. Ohne große
Allüren, in Wanderschuhen, wie sie alle
tragen, mit dem simplen Gepäck und
einer ähnlichen Bedürftigkeit (wandern,
sicher weiterkommen, essen, schlafen ...)
konnte ich mich einfach unprätentiös in
die Gruppe der anderen Wandernden ge-
sellen und persönliche Gespräche führen,
denn die blieben nicht aus!
Barbara Messer
Gedanken nach einem Scheitern
„Es ist leicht, stark zu sein, gut anzukommen, Erfolge und
Leistungen zu verbuchen. Positive Markierungen auf dem
Lebensweg sind fein anzuschauen, gesetzte Ziele zu errei-
chen stimuliert positiv und motiviert. Weitaus schwerer ist
es zu scheitern, das Schwache in sich zuzulassen. Dabei
erleben wir die Fallhöhe, den Sturz, das Schwinden, die Ver-
zweiflung, Erschöpfung oder ähnliches, die mögliche Ein-
samkeit als Folge. Scheitern ist nicht wirklich en vogue, die
Menschen gehen gerne darüber hinweg. Und ganz ehrlich,
im trubeligen Alltag ist es leicht, darüber hinwegzugehen.
Einfach Musik anmachen, chatten, shoppen, fernsehen,
das nächste Projekt planen. Lassen wir jedoch die Schwä-
che zu, ist das oft schmerzhaft, weil ungewohnt, weil auch
negativ belegt, oder zumindest negativ interpretiert.
Doch im Wahrnehmen der eigenen Fallhöhe, im Erkennen
des wahren Ausmaßes der Schwäche können wir zugleich
auch erkennen, wie groß der unbekannte Raum zwischen
den beiden Aspekte ist, die uns bekannt sind. (Kennen
Scheiterns. Ein Beispiel dafür ist der folgende Auszug aus dem
Kapitel „Nach dem Scheitern auf der Glungezerhütte“:
Buchtipp.
Barbara
Messer, Mein Weg
über die Alpen,
Edition Forsbach,
Fehmarn 2017, 191
Seiten, 14,90 Euro
Sie die U-Bahn in New York? Da heißt es ‚Mind the Gap‘.
Achten Sie auf den unbekannten Bereich zwischen U-Bahn
und Bahnsteig). Wir sehen den Ausgangspunkt und wir
sehen den Endpunkt. Der Raum dazwischen wird durch
das bewusste, aufmerksame Scheitern sichtbar. Dies sind
in meinen Augen wichtige Parameter für die eigene Größe.
Und wenn wir uns – gerade in diesen schwachen (oder
auch einsamen und verzweifelten) Momenten im Spiegel
anschauen können, sehen wir uns wirklich. Ohne Maske-
rade und Kosmetik und wirklich wunderschön.“
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