Wirtschaft und Weiterbildung 7-8/2017 - page 19

wirtschaft + weiterbildung
07/08_2017
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Suche dein Schattenkind
Im Idealfall entwickeln wir in der Kind-
heit das nötige Selbstvertrauen. Doch die
perfekten Eltern gibt es nicht und Beschä-
mungen, Kränkungen, Machtmissbrauch
oder Gewalt verhindern, dass wir ohne
Probleme erwachsen werden. Der Schrift-
steller Antoine de Saint-Exupéry sagte:
„Ich komme aus meiner eigenen Kind-
heit, so wie ich aus Frankreich komme.“
Die Therapeutin Stefanie Stahl verspricht
ihren Lesern Hilfe, indem sie zur Arbeit
mit dem unter Psychologen sehr ge-
schätzten Ansatz des „inneren Kindes“
rät. Stahl verkürzt ihn auf ein verletztes
„Schattenkind“, in dem unsere negativen
Glaubenssätze und die dazugehörigen ne-
gativen Gefühle gespeichert sind. Wenn
wir Freundschaft mit dem „Schattenkind“
schließen, lässt sich das „Sonnenkind“
befreien – unser lebendiger Wesens-
kern. Stahl bietet sehr viele schriftliche
Übungen zur Selbsterforschung an. Ob
man dem Schattenkind, das sich not-
gedrungenermaßen lieber versteckt als
zeigt, so auf die Schliche kommt, darf
bezweifelt werden. Das Gute an die-
sem Buch ist, dass es dem Leser auf re-
spektvolle Art seine Hilfsbedürftigkeit
zeigt. Dass er zur Heilung ein Gegenüber
braucht, muss er selbst herausfinden.
Grundeinkommen
Wer sich für Soziologie interessiert, redet
derzeit gerne von der Demokratisierung
der Unternehmen. Aber Teamleiter wur-
den auch schon vor 40 Jahren gewählt
(mit allen Vor- und Nachteilen).
Eine echte, gesellschaftliche Innovation
deutet sich jetzt mit dem bedingungs-
losen Grundeinkommen an. Soziologisch
gesehen wäre das ein Umbruch wie Bis-
marcks Sozialgesetzgebung. Der we-
sentliche Haken bei der Sache ist, dass
niemand weiß, wie sich die Masse der
Bevölkerung verhalten wird, wenn sie
nicht mehr arbeiten „muss“. Drohen all-
gemeiner Müßiggang und Alkoholismus
oder wird jeder seine freie Zeit nutzen,
seinen Traumberuf zu erlernen und aus-
zuüben? Um diese Frage zu beantworten,
wird gerade in einem kleinen Land am
Rande Europas ein entsprechendes Ex-
periment durchgeführt. Ökonomisch In-
teressierte sollten sich aber auch theore-
tisch mit dem Thema auseinandersetzen.
Die Autoren des Buchs „Sonst knallt‘s“
sind für die Einführung des bedingungs-
losen Grundeinkommens – Schritt für
Schritt für bestimmte Zielgruppen. Ihre
Argumentation ist ruhig und fundiert, so-
dass auch konservative Leser einen Blick
ins Buch wagen können.
Liebe das Risiko
In diesem Buch geht es nicht um Kinder
aus dem Großbürgertum, die aufgrund
ihres Habitus Vorstandsvorsitzende von
Konzernen wurden. Es geht um 45 Ein-
zelkämpfer aus dem mittelständischen
Milieu, die als Selbstständige und Inves­
toren ein Geldvermögen von mindestens
zehn Millionen Euro erwirtschaftet (nicht
geerbt!) haben. Aus deren Befragung
ergab sich: Alle waren in der Jugend Leis­
tungssportler (mindestens Kreismeister)
und lernten den harten Wettbewerb ken-
nen. Alle mieden Mannschaftssportarten.
Sie verdienten als Schüler schon viel Geld
und konnten gut Menschen überzeugen
sowie Optimismus verbreiten. Auffallend
ist das extrem hohe Maß an Risikofreude,
das in die Pleite führen kann. Sie sind
also wohl kein Vorbild für „Normalos“.
Beobachtet wurde auch eine hohe Ziel-
strebigkeit (schriftliche Umsatzziele, die
mit Visualisierungstechniken verankert
werden). Zitelmanns qualitative Befra-
gung der 45 Multimillionäre wurde an der
Uni Potsdam als Dissertation angenom-
men und mit „sehr gut“ bewertet. Lesens-
wert ist ein Kapitel über das informelle
Lernen der Reichen. Sie lernen durch Ver-
such und Irrtum, durch Imitation anderer
Reicher und durch Networking.
Stefanie Stahl:
„Das Kind in dir muss Heimat finden:
Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller
Probleme“, Verlag Kailash (Random
House), München 2015, 288 Seiten,
14,99 Euro
Matthias Weik, Götz W. Werner,
Marc Friedrich:
„Sonst knallt‘s: Warum wir Wirtschaft
und Politik radikal neu denken müs-
sen“, Eichborn Verlag/Bastei Lübbe,
Köln 2017, 160 Seiten, 10 Euro
Rainer Zitelmann:
„Psychologie der Superreichen: Das
verborgene Wissen der Vermögens­
elite“, Finanzbuch Verlag/Münchener
Verlagsgruppe, München 2017,
432 Seiten, 34,99 Euro
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