Wirtschaft und Weiterbildung 7-8/2017 - page 12

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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2017
Dr. Achim Zimmermann
Zwar ist es nicht der Regelfall, aber es kommt
manchmal vor: Nach einer Ausbildung wird eine
Prüfung angeboten. Damit diese ordnungsgemäß
abläuft, sind einige Regeln zu beachten.
Zunächst gilt es festzuhalten, wie die Prüfung ins-
gesamt abzulaufen hat. Dieses Regelwerk kann als
eine Art Prüfungsordnung verstanden werden. Darin
muss niedergelegt werden, was der Prüfungsstoff
umfasst, unter welchen Voraussetzungen die Prüf-
linge teilnehmen können und wer dabei als Prüfer
tätig werden darf. Gleichzeitig muss festgelegt
werden, unter welchen Anforderungen die Prüfung
bestanden ist und welche Qualifikation damit
erworben werden kann. Zusätzlich sollte in die Prü-
fungsordnung aufgenommen werden, was passiert,
wenn einer der Prüflinge bei der Klausur gegen die
Prüfungsregelungen verstößt.
Rechtzeitig vor der Prüfung muss den Teilnehmern
mitgeteilt werden, ob und gegebenenfalls wann sie
sich anmelden müssen. Sofern die Prüflinge für die
Anmeldung bestimmte Anforderungen erfüllen müs-
sen, müssen diese ebenso klar herausgestellt wer-
den. Hat sich ein Prüfling verbindlich angemeldet,
darf er nur unter bestimmten Bedingungen nicht
teilnehmen. Hierfür benötigt er einen Rücktritts-
grund, den er nachweisen kann – etwa, dass er an
einer schweren, akuten Erkrankung leidet.
Bei der Prüfung selbst ist die Chancengleichheit
zu wahren. Das bedeutet, dass für alle Teilnehmer
dieselben Bedingungen gelten müssen. Gibt es
etwa im Prüfungsraum eine Störung, dann muss
der Prüfer diese dadurch kompensieren, dass er die
Schreibzeit verlängert. Versucht ein Prüfling, sich
einen rechtswidrigen Vorteil zu verschaffen (juris­
tisch: „Unterschleif“), ist es die Pflicht der Aufsicht,
dieses Verhalten zu unterbinden. Läuft die Prüfung
bereits, so gilt grundsätzlich, dass diese bis zum
(regulären) Prüfungsende durchzuführen ist. Selbst
wenn ein Prüfling offensichtlich gegen Prüfungs-
regeln verstößt, hat er das Recht, seine Leistung
vollständig zum Ende zu bringen. Erst danach kann
beurteilt werden, ob wirklich ein rechtswidriges Ver-
halten vorliegt. Wird der Prüfling bereits während
der noch laufenden Prüfungszeit hinauskompli-
mentiert, kann danach die Ausarbeitung nicht mehr
gewertet werden, falls sich herausstellen sollte,
dass sein Verhalten doch ordnungsgemäß war.
Wenn die Prüfer ein Single- oder Multiple-Choice-
Verfahren einsetzen wollen, müssen sie dafür in der
Prüfungsordnung spezielle Regelungen vorsehen,
die konkret auf diese Prüfungsart zugeschnitten
sind. Der Grund hierfür ist, dass die Rechtspre-
chung besonders strenge Anforderungen
an dieses Verfahren stellt.
Nach dem Abschluss des Prüfungstermins
müssen die Prüfer die Klausuren korrigie-
ren. Wichtig ist dabei, dass nur derjenige
als Prüfer tätig werden darf, der selbst über den
durch die Prüfung zu erlangenden Abschluss verfügt
– schließlich unterstellt man ihm, dass er über die
in der Prüfung geforderten Kenntnisse verfügt.
Gleichzeitig muss der Prüfer die Prüfungsleistung
vollständig und eigenständig zur Kenntnis nehmen.
Nur dann kann er eine individuelle Bewertung vor-
nehmen.
Kolumne Recht
Prüfungen richtig
durchführen
Auch, wenn der Prüfling betrügt: Er hat
das Recht die Prüfung zu beenden.
Foto: Mark Mühlhaus
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Achim Zimmermann monatlich an dieser Stelle.
Dr. Achim Zimmermann ist mit rechtlichen Fragen rund um Training und Coaching in Theorie und Praxis vertraut: Er arbeitet als Rechtsanwalt und Mediator.
Zudem führt er juristische Schulungen für Trainer und Coachs durch.
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