Wirtschaft und Weiterbildung 7-8/2017 - page 18

titelthema
18
wirtschaft + weiterbildung
07/08_2017
04.
... wie die
Kompetenz-
entwicklung im Netz
bereits
vorangetrieben wird.
05.
... was Führungskräften im
Business-Coaching
wirklich
hilft.
06.
... wie wichtig für Trainer eine
Weiterbildung in den
narrativen
Methoden
ist.
R
rungen schnell, agil und kreativ begeg-
nen“ nur die wenigsten Manager inte-
ressieren und er sie mit einer Geschichte
über Erdmännchen auf die Vorteile einer
„dualen Organisation“ stoßen will.
Erdmännchen-Clans leben im südlichen
Afrika und umfassen je nachdem 20 bis
200 Mitglieder. Plötzlich bedrohen eine
schwere Dürre und neue Arten von Raub-
tieren die Existenz. Die kleinen Clans
sind hoch motiviert, neue Lösungen in
Form von Projekten auszuprobieren und
schnell zu handeln. Jeder kümmert sich
freiwillig auch um andere Mitglieder sei-
nes Clans und alle ergreifen so gut es geht
ihre Chance. Leider funktionieren im Rah-
men der Selbstorganisation die täglichen
Routinen nicht immer zuverlässig und so-
bald die Population wächst, bricht Chaos
aus.
Eine stabile Organisation, die auch in Kri-
sensituationen nicht auseinanderbricht,
ist die Stärke der großen Erdmännchen-
Clans. Hier gibt es eine Hierarchie und
professionelle Arbeitsteilung. Krisen
werden ausgesessen. Die Führung hofft
nach jeder Krise, dass sich alles bald
wieder normalisieren werde. Doch die
Umweltbedingungen verändern sich radi-
kal. Junge Mitglieder eines großen Clans
gehen schließlich auf eine Wanderschaft,
um nachzusehen, wie die anderen Clans
auf die neuen Notlagen reagieren. Irgend-
wann kommt ihnen die Idee, dass man
die stabile, hierarchische Organisations-
form der großen Clans dauerhaft verbin-
den sollte mit der Netzwerkorganisation
der kleinen Clans. Warum sollte eine ein-
zige Organisation nicht gleichzeitig dis-
zipliniert und kreativ sein? Nach einigen
Machtkämpfen wird in einem der großen
Clans (mit Unterstützung der klassischen
Hierarchie) eine „duale Struktur“ einge-
führt. Zurück zur Realität: Große Unter-
nehmen haben es längst gelernt, neue
Initiativen durch Taskforces und Projekt-
management innerhalb eines hierarchi-
schen Systems zu implementieren. Aber
das meint Kotter nicht. Um die Leistungs-
fähigkeit des Unternehmens als Ganzes
zu steigern, will er, dass dauerhaft immer
rund fünf bis zehn Prozent einer Beleg-
schaft zusätzlich (!) zu ihrem Job auch
noch in einer parallelen Netzwerkorgani-
sation arbeiten.
Dieses Parallelsystem soll die verloren
gegangene Agilität und Geschwindigkeit
wiederherstellen. Die beiden Modelle
sind kein „Entweder-oder“, sondern ein
„Sowohl-als-auch“. Ganz konkret geht es
beim dualen System darum, dass in der
parallelen Netzwerkorganisation stra-
tegische Initiativen verfolgt werden, die
dazu dienen, Chancen zu erkunden und
zu nutzen. Die diversen Initiativen ver-
binden sich und lösen sich wieder auf.
Das Netzwerk ermöglicht Individualis-
mus, Kreativität und Innovation. Es ist
durch „Personen“ mit unterschiedlichen
Hierarchieebenen verbunden. Aber das
Netzwerk wird nicht durch Hierarchie­
ebenen entschleunigt.
Das Topmanagement spielt dabei eine
zentrale Rolle, indem es Initiativen vor
dem Start „genehmigt“ und die Netz-
werkstruktur aufrechterhält. Das „duale
Betriebssystem“ ist keine informelle Or-
ganisation. Es ist kein Experiment, son-
dern Teil eines Organisationsdesigns. Das
Interessante an diesem Design ist, dass
die Macht der Hierarchie nicht infrage
gestellt wird. Egal was das Netzwerk
warnend sagt und eindringlich fodert,
die letzte Entscheidung liegt wie in alten
Zeiten beim obersten Boss des Linien­
managements.
Wie Kotter mobilisieren will
Die ersten vier Buchempfehlungen auf
dieser Doppelseite (laut Amazon-Statistik
echte Bestseller) haben wir nach dem
Motto ausgesucht: „Man muss sie lesen,
weil das Management sie liest und einen
möglicherweise darauf anspricht.“
Von sich aus würde ein Trainer oder Be-
rater wohl nicht zu einem Buch greifen,
das versucht das Thema Organisations-
design in eine simple Fabel zu verpacken.
Andererseits kann man es dem Change-
Papst John Paul Kotter, Professor für
Führungsmanagement an der Harvard
Business School, nicht übel nehmen,
wenn er davon ausgeht, dass sich für sein
anspruchsvoll geschriebenes Fachbuch
„Accelerate – strategischen Herausforde-
John Kotter, Holger Rathgeber:
„Das Erdmännchen-Prinzip: Aus Krisen
als Gewinner hervorgehen“ (Origi-
nalausgabe: „That‘s not how we do
it here“), Droemer Verlag, München
2017, 160 Seiten, 16,99 Euro
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