Wirtschaft und Weiterbildung 7-8/2017 - page 10

aktuell
10
wirtschaft + weiterbildung
07/08_2017
Auf dem 10. Neuromarketing-
kongress in der BMW-Welt
München gab es Einblicke in
die Hirnforschung und den
neuen Trend zum Analogen.
„Wir haben keine universelle
Gedanken l e s ema s ch i ne “ ,
rückte John-Dylan Haynes, Pro-
fessor für Theorie und Analyse
weiträumiger Hirnsignale am
Bernstein Center for Compu-
tational Neuroscience in Ber-
lin, die Illusionen so mancher
Kongressteilnehmer aus dem
Marketing zurecht. Bis heute
hätten die Wissenschaftler die
Sprache des Gehirns noch nicht
so recht verstanden. Und die
bildgebenden Verfahren wie die
funktionale Magnetresonanzto-
mografie (FMRT) messen ledig-
lich den Sauerstoff im Blut und
können damit zeigen, welche
Hirnregionen auf bestimmte
Stimuli reagieren. Man wisse
allenfalls, welche Regionen im
Gehirn beteiligt sind, allerdings
reagieren diese auf verschie-
dene Gefühle. Deswegen müsse
man stärker auf Muster achten.
Die Aktivierung von Hirnbe-
reichen als Zeichen für Beloh-
nung zu interpretieren, sei
problematisch, mahnte Haynes
und warnte vor Umkehrschlüs-
NEUROMARKETINGKONGRESS 2017
Das Hirn kauft Geschichten
sen: „Wenn es regnet, wird die
Straße nass. Aber wenn die
Straße nass ist, muss es nicht
geregnet haben.“ Doch selbst
wenn das Belohnungszen-
trum auf einen Reiz anspringe,
genüge das nicht. Denn
zunächst müsse ein Verlan-
gen entstehen, das wiederum
zu einem Kaufimpuls führen
müsse. Den vielfach propa-
gierten „Kaufknopf im Hirn“
gebe es daher nicht. „Das Bild
einer Torte als Impuls allein
reicht nicht“, so der Hirnfor-
scher. „Man muss auch eine
Entscheidung auslösen und
diese in eine Handlung umset-
zen.“ Wichtig seien dabei auch
die unbewussten Prozesse. So
seien Entscheidungen bereits
bis zu sieben Sekunden im
Voraus im Gehirn sichtbar.
Haynes Vortrag bildete den
Auftakt des Kongresses, den
die Haufe Gruppe und der Neu-
romarketing-Anbieter Gruppe
Nymphenburg veranstaltete,
und der diesmal unter dem
Motto „Creating strong feelings
– mit wertebasiertem Marke-
ting zum Erfolg“ stand. Der
Kongress beginnt traditionell
mit wissenschaftlichen Vorträ-
gen, widmet sich dann jedoch
überwiegend praktischen Mar-
ketingbeispielen.
Zwischen Wissenschaft und
Entertainment ließ sich dabei
der Vortrag von Henning Beck
verorten. Der Biochemiker und
Neurowissenschaftler hat sich
als Entertainer zum Thema
„Hirnforschung“ einen Namen
gemacht und präsentiert unter-
haltsam, wenn auch bisweilen
stark vereinfacht, wie unser
Hirn funktioniert. „Das Gehirn
ist faul und eitel, es rechnet
mies und ist zu 99 Prozent
mit sich selbst beschäftigt“,
behauptete Beck.
Gehirn und Computer arbei-
teten fundamental anders.
Computer stürzten ab. Gibt es
einen Fehler, stimme auch das
Ergebnis nicht. Das Gehirn
laufe dagegen stabil. „Wir kön-
nen Fehler machen und kom-
men gerade deshalb oft auf kre-
ative Ideen“, so der Referent.
Computer seien genauso dumm
wie vor 50 Jahren, nur seien sie
heute schneller dumm. Im Hirn
gebe es keinen Unterschied
zwischen Hard- und Software.
Gedanken seien in Aktivitäts-
mustern abgelegt, jede der 80
Milliarden Zellen sei mit mehr
als 10.000 anderen verbunden.
„Das Gehirn ist kein Daten-
sammler, sondern erkennt Kon-
zepte und formt Kategorien“,
so der Biochemiker. Menschen
seien nicht an einzelnen Funk-
tionen eines Produkts interes-
siert, sondern an Bildern und
Geschichten. „Ein Hirn kauft
keine Müslipackung, sondern
die Geschichte dahinter“, so
Beck.
Überraschend waren die
Trends, die Jochen Kalka,
Chefredakteur des Fachmaga-
zins „Werben und Verkaufen“,
präsentierte. Weil jeder Trend
einen Gegentrend erzeuge, sei
inzwischen auch das Analoge
wieder „in“. So wurden in den
USA 2016 erstmals wieder mehr
Bücher in Print als E-Books ver-
kauft. Auch die Vinyl-Schall-
platte feiert ein Comeback:
2016 überholten die Schallplat-
ten-Umsätze die der Down-
loads mit 70 Millionen Euro.
Und bei den Medien gibt es den
Trend zum Reverse-Publishing:
Aus erfolgreichen Blogs werden
Printmagazine.
Bärbel Schwertfeger
HR-VERANSTALTUNGEN
Digitalkonferenz in München
Zum „Digital Mind Change“, also zum Erproben einer
neuen, digitalen Geisteshaltung, laden die Veranstalter
der Messe „Zukunft Personal“ und das Business-Netz-
werk Xing am 26. Oktober in die BMW-Welt München.
Neben Keynotes, Podiumsdiskussion, Best-Practice-
Beispielen, Workshops und anderen interaktiven For-
maten soll das Programm der HR-Konferenz den Teil-
nehmern viel Raum für fachlichen Austausch geben und
sie zum Querdenken anregen. Mehr Informationen zur
Veranstaltung gibt‘s unter
Foto: age fotostock / Peter Widmann / mauritius-images.com
BMW-Welt.
Im Münchner
Event-Zentrum fand der
Neuromarketingkongress
statt.
1,2,3,4,5,6,7,8,9 11,12,13,14,15,16,17,18,19,20,...68
Powered by FlippingBook