TAGEN wirtschaft und weiterbildung 4/2016 - page 29

Foto: Pichler
Open Space braucht Platz.
Das ist nicht das Plenum, sondern nur eine Arbeitsgruppe eines durchschnittlichen Open-Space-Events.
R
Ist es nicht problematisch, eine Situation wie die Kaffeepausen-
gespräche, die ja spontan und ohne Erwartungshaltung der
Teilnehmer entsteht, „nachbauen“ zu wollen? Die Hauptkraft-
quelle, das Spontane, ist ja dann herbeiorganisiert und somit
„futsch“, oder? Warum gelingt es dennoch?
Flinker:
Die treibende Kraft von Open-Space-Tagungen sind
die Relevanz des Themas, die Leidenschaft der Teilnehmer
dafür und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.
So existiert eher keine Erwartungshaltung, sondern der drin-
gende Wunsch, mit anderen ins Gespräch zu kommen, mit
ihnen gemeinsam nach Ansätzen und Lösungen zu suchen
und sie umzusetzen. Sehr schnell sind dann 20 oder 30 Mini-
workshops initiiert, in denen hoch engagiert gesprochen und
gearbeitet wird.
Können Sie uns einmal ein paar konkrete Beispiele gelungener
Open-Space-Veranstaltungen aus Ihrer branchenübergreifenden
Praxis beschreiben?
Flinker:
In besonders guter Erinnerung sind mir eine Open-
Space-Tagung bei einem Therapeutenverband und eine bei
der Deutschen Bahn. In dem Verband gab es erhebliche Span-
nungen, auch zwischen Mitgliedern und Vorstand, ausgelöst
unter anderem durch Veränderungen in der Gesundheitspoli-
tik. Es spielten auch Existenzängste eine Rolle. Entsprechend
emotional ging es dann zu. Das war gut und notwendig. Das
Ziel war nämlich, ein gemeinsames berufspolitisches Agieren
zu initiieren. Alle konnten Themen und Anliegen einbringen,
die ihnen am Herzen lagen. In den Workshops gab es viel Klä-
rung und Verständigung. Und beim gemeinsamen Resümieren
war sogar Versöhnung zu spüren. Letztlich hat man wichtige
Aktionen beschlossen und viele sagten: „Ich mach mit“.
Zum Open Space bei der Deutschen Bahn kamen interne Au-
ditoren zusammen, um voneinander zu lernen und ihr Audi-
tierungssystem weiterzuentwickeln. Frühere Tagungen waren
wohl vorwiegend von Power-Point-Präsentationen oder Trai-
ningselementen geprägt. Auf Wunsch der Teilnehmer sollte
nun mehr Zeit für Diskussion und gegenseitigen Austausch
zur Verfügung stehen. Mit einiger Skepsis und eher zöger-
lich fiel im Vorbereitungsteam die Wahl auf das Format Open
Space. Obwohl es auch für die Teilnehmenden zunächst un-
gewohnt war, selbst aktiv zu werden, waren im Nu 15 The-
menworkshops initiiert. Ein lebendiger Austausch entstand,
die Stimmung war bestens und man beschloss, im Folgejahr
wieder im Open Space zu tagen.
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