tagen
28
Tagen
04_2016
Die produktivsten Ergebnisse vieler Tagungen entstehen in
den Kaffeepausengesprächen der Teilnehmer untereinander.
Hier wird diskutiert, hier werden Meinungen und Wissen
ausgetauscht, Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln be-
leuchtet. Der Amerikaner Harrison Owen fragte sich deshalb
im Jahr 1983: Wie kann man Tagungen organisieren, die eben
jene Stimmung der Kaffeepausengespräche initiieren? Daraus
entwickelten sich bis heute verschiedene Formate und Metho-
den, die inzwischen auf der ganzen Welt erfolgreich zum Ein-
satz kommen. Eines der bekanntesten Formate, die auf diese
Kaffeepausen-Idee gründen, ist die „Open-Space-Moderation“.
Kollektive Intelligenz anzapfen
Open-Space-Veranstaltungen sind dann besonders wirkungs-
voll, wenn es eine wichtige, zukunftsrelevante Frage zu lösen
gilt, die so komplex ist, dass sie niemand allein lösen kann. Zu
diesem Zweck kommen diejenigen, die diese Frage betrifft, zu
einer besonderen Art von Tagung zusammen. Das können 25
oder auch Hundert Teilnehmer sein. Wichtig dabei ist,
• dass alle freiwillig dabei sind,
• dass sie sich möglichst leidenschaftlich für das zu behan-
delnde Thema interessieren und bereit sind, Verantwortung
zu übernehmen und
• dass es in der Sache echten Handlungsbedarf gibt.
Alle sind aufgefordert, sich mit ihrem Wissen und ihrer Per-
sönlichkeit einzubringen, sodass die Intelligenz des Kollek-
tivs einen Raum erhält und sinnvoll zusammengeführt wird.
Bei Open-Space-Formaten gibt es das Leitthema, aber keine
feste Tagesordnung. Die Agenda wird zu Beginn durch die
Teilnehmer selbst geschaffen, indem sich alle mit ihren eige-
nen Anliegen einbringen und Workshopthemen vorschlagen
(Entstehen der Agenda). Diese werden dann in Kleingruppen
diskutiert (Workshop-Phase) und münden am Ende in kon-
krete Handlungsplanungen. Durch die verschiedenen offenen
Gespräche, die initiiert werden, erkennen die Teilnehmer im
Verlauf der Veranstaltung Zusammenhänge, die zuvor verbor-
gen waren. Wege zur Lösung des Problems zeichnen sich oft
wie von selbst ab. Der Moment, in dem dies geschieht, wirkt
auf alle sehr befreiend, da dies der Moment ist, in dem ein
Am Anfang war die
Kaffeepause
INTERVIEW.
Wenn Unternehmen viele Beschäftigte in einen kollektiven Reflexions-
oder Problemlösungsprozess einbeziehen wollen, führen sie in einem Tagungszentrum
bestimmte Großgruppenveranstaltungen durch. Genutzt wird dabei zum Beispiel
das Open-Space-Format. Was dahintersteckt, soll unser Interview mit einem
Moderationsexperten zeigen.
gordischer Knoten durchschlagen wird. Im Folgenden können
aus den neu gewonnenen Erkenntnissen je nach Ziel konkrete
Handlungsansätze formuliert werden. Arbeitsgruppen finden
sich, die den Prozess später zum erfolgreichen Ende bringen.
Open-Space-Tagungen können entweder der Auftakt eines sol-
chen Prozesses sein oder auch nur dem Erfahrungsaustausch
dienen. Der Vorteil dieser Methode ist die innere Motivation,
die bei den Teilnehmern freigesetzt wird. Fortschritte werden
spürbar und was man selbst mit erarbeitet hat, will man auch
umsetzen. Da sich alle Teilnehmer auf Augenhöhe gemeinsam
mit der Problematik auseinandergesetzt haben, gibt es am
Ende weder Verlierer noch Gewinner, sondern Erfolg verspre-
chende Lösungen. Begleitet wird die Open-Space-Tagung von
sogenannten Facilitatoren, die die Teilnehmer bei der Planung
und Durchführung der gesamten Veranstaltung tatkräftig un-
terstützen.
Interview: Wozu „Open Space“?
Axel Flinker hat sich auf die Konzeption und Durchführung
von „Dialogorientierten Workshops“ spezialisiert. Unter dem
Firmennamen „Agonda“ hat er für Unternehmen, Non-Pro-
fit-Organisationen, Verbände, Initiativen, öffentliche Einrich-
tungen und Kommunen zu unterschiedlichsten thematischen
Kontexten Workshops durchgeführt. Unsere Autorin, die Esse-
ner Journalistin Katrin Nauber-Happel, hat Flinker zu seinen
Erfahrungen befragt:
Wie viel Zeit muss man für eine Open-Space-Veranstaltung
einplanen, damit sie ein für alle befriedigendes Ergebnis
hervorbringen kann?
Axel Flinker:
Der beste Rahmen für Open Space sind zweiein-
halb Tage. So stehen eineinhalb Tage für die Phase der the-
menoffenen Workshops zur Verfügung, ein halber Tag für
das Sichten der Ergebnisse und ein gemeinsames Resümieren
sowie ein halber Tag für das Planen und Initiieren weiterfüh-
render Schritte, Vorhaben oder Projekte. Unter bestimmten Be-
dingungen können auch kürzere Open-Space-Tagungen Sinn
machen. Das Minimum sehen wir bei neun Stunden Arbeits-
zeit zuzüglich Pause.