Wirtschaft und Weiterbildung 09/2016 - page 46

training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
09_2016
durch offene Kommunikation unterstützt
werden. Um effizient Wissen vermitteln
zu können, muss zunächst eine Bezie-
hung aufgebaut werden, und der Sinn
des Lernens muss klargemacht werden
können. Die Mitarbeitenden lernfähig zu
halten und sie zu ermuntern, primär die
Chancen und nicht die Bedrohungen des
Neuen zu sehen, ist eine der anspruchs-
vollsten Führungsaufgaben.
Wenn in einem Unternehmen der Stel-
lenwert des Lernens hoch ist, Lernmög-
lichkeiten und Lernsituationen bewusst
geschaffen werden und es entsprechende
Anreize und Lernangebote gibt. Im ler-
nenden Unternehmen sind Fehler gestat-
tet, weil sie eine Lernmöglichkeit darstel-
len. Fehlertoleranz heisst, dass Scheitern
erlaubt ist. Ohne Fehlertoleranz darf auch
keine Initiative erwartet werden. Jedem
sollte eine zweite Chance zustehen.
Vor allem Experimente bringen
neue Erkenntnisse
Die neuere Hirnforschung hält das Gehirn
für veränderbar (Neuroplastizität). Ver-
änderung ist allerdings anstrengend und
beansprucht viel Energie. Wir lernen nur
das, was uns intensiv interessiert und uns
wichtig ist. Man kann keinen Menschen
motivieren, sein kreatives Potenzial zu
entfalten, man kann ihn nur dazu einla-
den, ermutigen sowie einen geeigneten
Rahmen schaffen. Das Hirn verändert
sich, wenn man es benutzt. Alle Ver-
schaltungen im Hirn entstehen nur, wenn
sie immer wieder aktiviert werden. Die
Funktionen, die nicht gebraucht werden,
kommen einem abhanden. Das Gehirn
wird so, wie und wofür man es mit Be-
geisterung benutzt. Wer begeistert ist,
verändert sich schneller, deshalb müssen
Sinn und Zweck klar sein. Gelernt wird
besonders gut, wenn das Gehirn vielfältig
stimuliert und das Neue oft wiederholt
wird. Menschen sind auf das Erreichen
positiver Emotionen ausgerichtet. Be-
sonders empfänglich sind sie für Infor-
mationen, die kurz zurückliegen, leben-
dig und bildhaft sind. Dann passt sich
das Netzwerk besonders effektiv an die
neuen Informationen an. Samuel Beckett
formuliert prägnant: „Versuch und Irr-
tum; neuer Versuch und kleinerer Irrtum;
schließlich Versuch ohne Irrtum, das ist
das ideale Lernmodell.“ Scheitern ist Ler-
nen. Wer gelernt hat, scheitert möglicher-
weise wieder, aber das nächste Mal eben
besser, informierter, kompetenter.
Wie in der wissenschaftlichen Forschung
und der Technik werden neue Erkennt-
nisse auch in der Führung durch Experi-
mente und eine Vielzahl von Versuchen
gewonnen, die reflektiert werden. Das ler-
nende Unternehmen schafft günstige Vo-
raussetzungen für den Lernprozess und
eine Kultur, in der es mehr zählt, Neues
zu wagen, selbst wenn man scheitert.
Das lernende Unternehmen ermuntert
dazu, zu experimentieren und dann zu
reflektieren. Wandlung geschieht durch
Handlung. Nur wer sich etwas zutraut,
neue Ideen und Strategien ausprobiert
und Erfahrungen zulässt, gewinnt neue
Impulse. Experimente brauchen Mut und
so etwas wie eine Start-up-Mentalität.
Einfach ausprobieren, statt lange planen,
ist oftmals der zielführendere Ansatz. Im
lernenden Unternehmen werden dezent-
rale Initiativen provoziert und im Erfolgs-
fall in unternehmensweite Programme
Bevor sich ein lernendes Unternehmen
herausbildet, brauchen die Mitarbeiten-
den Vertrauen. Sie vertrauen dem Ma-
nagement und ihren Vorgesetzten nur,
wenn sie sich respektiert und fair behan-
delt fühlen. Psychologische und soziolo-
gische Studien zeigen, dass der Mensch
unter Vertrauensbedingungen aufblüht.
Zu spüren, dass der Vorgesetzte an einen
glaubt („Ich glaube, Sie schaffen es“), ist
der größte Vertrauensbeweis. Die Mitar-
beitenden brauchen die Erlaubnis des
Vorgesetzten, wie auch den nötigen Frei-
raum, damit sie es wagen, Neuland zu
betreten und zu lernen.
Lernen durch Handeln setzt voraus, dass
man handeln darf. Erfahrungen kann
man nicht lehren, aber man kann die
Mitarbeitenden ermuntern, sie selbst zu
machen und sie dabei unterstützen. In
den Mitarbeitenden sind viele Kräfte der
Selbstentwicklung angelegt. Sie können
viel, wenn man sie nur lässt. Untersu-
chungen zeigen, dass die Zufriedenheit
der Mitarbeitenden in dem Maße wächst,
in dem sie das Bewusstsein haben, frei
mit den Vorgesetzten diskutieren zu kön-
nen. Sinnantworten können wahrschein-
lich nur im Gespräch vermittelt und
Erfahrungen machen lassen
und zum Reflektieren anleiten
PRAXIS DES LERNENS.
Menschen entwickeln sich am häufigsten weiter, indem sie
handeln und anschließend reflektieren. Beim Lernen geht es um die Auseinandersetzung
mit konkreten Problemen und dass dabei Erfolg oder Misserfolg erlebt wird. Wenn das
Erlebte dann reflektiert wird, wird auch das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gestärkt.
Buchtipp.
„Mehr
Reflexion“ fordert
Jean-Marcel Kobi
in seinem Buch
„Neue Prämissen
in Führung und
HR-Management“
(Springer/Gabler,
2016, 150 Seiten,
35 Euro).
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