training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
09_2016
und weiß wo er landet und was ihm in-
haltlich widerfährt. Das widerspricht
gängigen Lesegewohnheiten. Wer sich
darauf einlässt, kann sich überraschen
lassen, kann auf Zufälligkeiten surfen
und kann assoziatives Denken einüben.
Nichts ist, alles wird
Fast so neuartig wie die Darstellung
seines Tools im Internet ist bei Eiden-
schink aber auch die Art der Integration
verschiedener psychologischer Richtun-
gen zu einer Veränderungstheorie. Am
Beispiel der „Psychodynamik“ soll dar-
gestellt werden, wie die Ansätze unter-
schiedlicher Schulen und Methoden ver-
dichtet wurden.
Unter „Psychodynamik“ sind jene inne-
ren Prozesse zu verstehen, welche dem
Menschen Stabilität, Identität, Steuerung
und Kontrolle seiner Impulse, einen Kom-
petenzaufbau und ein soziales Zusam-
menleben ermöglichen. Im Originalton
heißt es bei Eidenschink: „Wir haben
aus der Vielzahl von unterschiedlichsten
Theorien, welche die Psychologie zum
Thema Psychodynamik entwickelt hat,
acht Aspekte identifiziert. Das Besondere
an diesen acht sogenannten Leitprozes-
sen ist, dass unterstellt wird, dass der
Mensch sich kontinuierlich entwickelt.
Der Mensch „selbstet“, indem er ständig
dabei ist, Entscheidungen zu treffen, die
ihm die acht „Leitprozesse“ abverlangen.
Mit diesen Entscheidungen bilden sich
Persönlichkeitsmuster und Verhaltens-
schemata. Anders ausgedrückt: Nichts
ist, alles wird. Man ist nicht einfach so,
wie man ist, sondern man macht sich
immer so, wie man ist. Die acht Leitpro-
zesse der Psychodynamik und die jeweils
damit verbundenen Entscheidungen zwi-
schen zwei Alternativen sind:
Leitprozess „Bewusstsein“
(bewusst/unbewusst)
Wenn man nicht weiß, was man denkt,
fühlt, will oder ausdrückt, kann man sich
nicht bewusst steuern. Die Frage, die
sich ein Coach stellen sollte, lautet: Was
mache ich dem Klienten bewusst und
was lasse ich besser im Unbewussten?
Leitprozess „Resonanz“
(reagieren/ignorieren)
Die Entscheidung, die jeder Einzelne im
Verhältnis zu seiner Umwelt zu treffen
hat, besteht in der Frage: „Worauf re-
agiere ich und was ignoriere ich?“. Nicht
zu reagieren, dient der Reduktion von
Komplexität. Das ist aber dysfunktional,
wenn zum Beispiel bestimmte Informa-
tionen gewohnheitsmäßig ignoriert wer-
den. Gewohnheiten bewusst zu reflektie-
ren, öffnet Menschen für Veränderungen.
Leitprozess „Akzeptanz“
(bejahen/verneinen)
Manche Menschen lehnen unangenehme
Aspekte ihres Erlebens gewohnheitsmä-
ßig ab. Das allerdings beeinträchtigt in-
nere Prozesse wie den der Selbstwahr-
nehmung, des Bewusstseins und den
Umgang mit Bedürfnissen. Deshalb ist
R
Stimmen zur „Metatheorie der Veränderung“
Lernen zwischen den Spiegeln
Was man aus einigen hundert Jahren enzyklopädischer
Mühen so kennt an Systematik und Ordnungen, an Gesamt-
darstellungen, Glossaren, Inhaltsverzeichnissen, Taxono-
mien und Tabellen, das lassen Eidenschink und seine Mit-
streiter mehr und mehr hinter sich. Das hat Konsequenzen:
Die Erfahrung des Lesens verändert sich, inhaltliche Aneig-
nung geht nicht mehr so glatt.
Wie bei Alice im Wunderland geraten wir beim Entdecken
„zwischen die Spiegel“ der Selbstreferenz, mehr und mehr
wird das navigierende Forschen zum Driften. Und das ist
die dringend nötige Lektion, auch für Beratungsmenschen,
ja, auch und gerade für Managementmenschen: Der Stoff
(der Markt, die Technologie, die Organisation...) ist tatsäch-
lich nicht beherrschbar wie etwa Bruchrechnen.
Die alte Macher-Idee, Komplexität zu reduzieren, damit sie
handhabbar wird, hat ausgedient. Wer sich die Erde unter-
tan machen will, erlebt sein blaues Wunder. In undekodier-
bare Zusammenhänge kann man nur noch eintauchen und
eine Art gelassener Demut entwickeln. Herzlich Willkom-
men in der Postmoderne.
Dr. Wolfgang Looss, Coaching-Pionier & Autor des Grund-
lagenwerks „Unter vier Augen: Coaching für Manager“
Beitrag zur Qualitätssicherung
Eidenschinks hochkomplexes Universum ist intellektuell
anspruchsvoll und macht Spaß, weil es genugend Raum
fur eigene Gedanken lasst. Das Tool bereichert die Bera-
tungsarbeit und liefert so einen veritablen Beitrag zur
Qualitatssicherung von Coaching und Beratung.
Eberhard Hauser, Hauserconsulting, Vorsitzender des
Präsidiums des Deutschen Bundesverbands Coaching
The Medium is the Message
Ich bin sehr beeindruckt von dem Tool. Es gilt: „The Medium
is the Message“. Die Darstellungsmöglichkeiten des Inter-
nets werden geschickt genutzt, um dem User klarzuma-
chen, dass er sich auf höchst individuellem Weg durch ein
Geflecht an Informationen befindet. Die Aneignung der
„Metatheorie“ findet in einem Lernprozess statt, der Wis-
senszusammenhänge beobachtet und der sich aber auch
selbst als Lernprozess wahrnimmt. Ich glaube, das muss
man umso ernster nehmen, je länger und intensiver man
das Metatheorie-Tool nutzt. Es verwischen die Grenzen zwi-
schen „anderes“ sehen und „anders“ sehen.
Prof. Dr. Oliver Jahraus, Inhaber des Lehrstuhls für
Neuere deutsche Literatur und Medien, LMU München