wirtschaft + weiterbildung
09_2016
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wie Jörg Löhr, Jürgen Höller und Bodo
Schäfer. Jeder der beiden Letzteren hatte
vor einigen Jahren eine fragwürdige
Pleite hingelegt. Höller landete sogar im
Gefängnis. Seit einiger Zeit versuchen
beide ein Comeback.
Zu den Top-Coachs in der Kategorie Füh-
rungskräfte-Coaching gehört auch Robert
Betz. Bei der Sektenberatung Nordrhein-
Westfalen heißt es über ihn: „Robert Betz
ist ein recht erfolgreicher, aber unseriöser
Anbieter auf dem esoterischen Lebens-
hilfemarkt.“ Sehr bedenklich seien vor
allem seine Aussagen zur Entstehung von
Krankheiten. So habe er behauptet, dass
Krankheiten wie Demenz, Alzheimer
und Krebs „als Quittung für das gelebte
Leben“ von einem selbst erschaffen wür-
den. Sieht so also die Qualitätssicherung
von Focus aus? Natürlich beantwortet
Focus die Frage nicht und Xing wäscht
seine Hände in Unschuld. „Inhaltlich
haben wir nichts mit der Umfrage zu
tun“, so Xing-PR-Manager Kopka.
Doch was wurde eigentlich gemessen?
Bewertet wurde letztlich nur die Be-
kanntheit und Vernetzung eines Coachs.
Die Bekanntheit wurde dann mit Quali-
tät gleichgesetzt. „Wenn Coachs andere
Coachs beurteilen, ist das nett, aber nicht
relevant“, sagt Thomas Schnelle, Ge-
schäftsführer der Unternehmensberatung
Metaplan in Quickborn. Aussagekräftige
Coaching-Erfahrungen hätten schließlich
nur die Coachees.
Und die 77.000 angeblich angeschrie-
benen Personaler? Die hatten offenbar
kein großes Interesse, bei der Befragung
mitzumachen. Kein Wunder, dass Focus
die Zahlen erst nach mehrmaliger Nach-
frage herausrückt. Insgesamt haben 6.788
Personen an der Umfrage teilgenommen,
darunter 6.205 Coachs und 583 Persona-
ler. Das ergibt eine Response-Rate von 4,3
Prozent bei den Coachs, und 0,7 Prozent
bei den Personalern! Die Chance, eine
der wenigen Bewertungen von einem
Personaler zu bekommen, war also recht
gering. Trotzdem kommt in der im Heft
veröffentlichten Tabelle das Kriterium
„häufig von Personalern empfohlen“ vor.
Da muss man sich fragen: „Was ist häu-
fig?“ Genügt es für ein „häufig“ vielleicht
schon, wenn man von zwei Personalern
empfohlen wurde? Um in die Liste auf-
genommen zu werden, habe eine Min-
destanzahl an Empfehlungen vorliegen
müssen, schreibt Focus. Die Eingruppie-
rung in die beiden Stufen („häufig emp-
fohlen“ und „empfohlen“) sei dabei an-
hand des Medians (Mittelwert) erfolgt.
Je nachdem, ob die Empfehlungen im
Vergleich zu allen Coachs überproporti-
onal aus der einen oder anderen Quelle
stammten, sei „überproportional von
Kollegen“ beziehungsweise „überpropor-
tional von Kunden“ angegeben. Die Min-
destanzahl, den Median und was „über-
proportional“ in Zahlen bedeutet, will
weder Focus noch Statista herausrücken.
„Die konkreten Mindestgrenzen unserer
Umfragen kommunizieren wir nicht“,
schreibt Statista vielsagend.
Einkäufer mit einem guten
Platz im Ranking überzeugen?
„Wenn nicht mal die Zahlen offengelegt
werden, ist das total unseriös“, kritisiert
Metaplan-Chef Thomas Schnelle. „Man
entzieht sich der Transparenz, weil es
sonst vermutlich zu peinlich wäre.“ Der
Markt für Coaching sei so unübersicht-
lich, dass jeder irgendwie hervorstechen
wolle. Doch eine einigermaßen objektive
Beurteilung der Player im Markt sei nun
mal extrem schwer. Daher würden auch
weiterhin fragwürdige Rankings zusam-
mengeschustert werden. „Das Ganze ist
ungefähr so, als ob man mit dem Ham-
mer aus fünf Meter Entfernung eine
Schraube rein drehen will“, so Schnelle.
Als sich der Metaplan-Chef vor einiger
Zeit in einem Sonderheft der Zeitschrift
„Brand eins“ auf einer – ebenfalls von
Statista erstellten – Liste der besten Be-
rater wiederfand, reagierte er erbost und
bat Statista darum, ihn künftig von der
Liste zu streichen. „Die Beste-Berater-
Liste war so obskur, dass ich damit nichts
zu tun haben wollte“, sagt Schnelle. Al-
lerdings habe es danach intern bei Me-
taplan eine durchaus kontroverse Dis-
kussion gegeben. Solche Rankings seien
zwar statistisch nicht haltbar und daher
unseriös, so Metaplan-Mitstreiter Kai
Matthiesen. Allerdings könne die „Aus-
zeichnung“ für einige Kunden durchaus
relevant sein und den Einkäufern intern
dabei helfen, Metaplan und nicht einen
anderen Berater zu beauftragen.
Grundsätzlich sei eine Empfehlung durch
andere Coachs nicht unwichtig, gibt
Bertram Nejedly, Coach und Organisati-
onsberater im Chiemgau, zu bedenken.
„Aber das ist kollegiale Unterstützung
und keine Qualitätssicherung.“ So fand
er es auch seltsam, als er sich ganz und
gar ungefragt in der Coach-Datenbank
von Xing wiederfand. Dabei ist nicht ein-
mal klar, ob das rechtlich zulässig ist. So
hatte das Landgericht Nürnberg-Fürth im
Jahr 2011 festgestellt, dass automatisch
angelegte Unternehmensprofile von den
betroffenen Firmen nicht zwangsweise
toleriert werden müssen. Damit werde, so
das Gericht, das Unternehmen schließlich
unter Druck gesetzt, da zur Bearbeitung
der Profilseite eine Mitgliedschaft im so-
zialen Netzwerk Voraussetzung sei. Das
Verfahren endete in einem Vergleich.
Xing verpflichtete sich, die Profilseite zu
löschen und 2.500 Euro zu zahlen. Ge-
klagt hatte ein Personaldienstleister gegen
Xing.
Ähnliches gilt für Xing Coachs. So wur-
den Coachs automatisch integriert, aber
um sein Profil aussagekräftiger gestal-
ten zu können, muss man zahlen. Auch
das Top-Coach-Siegel wird von Xing auf
R
Beilage im „Focus“.
Das
Sonderheft „Focus
Network“ (Juli 2016) listet
auf sechs Seiten Coachs
mit einem „hervorra-
genden Ruf“ auf.
Foto: Pichler