Wirtschaft und Weiterbildung 09/2016 - page 18

titelthema
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wirtschaft + weiterbildung
09_2016
wissen, dass sie ihre Listung im Heft nur
dem Zufall verdankt.
Um die angeblich besten Coachs zu er-
mitteln, hatte das „Xing Coachs Team“
Coachs angeschrieben: „Wir suchen
Deutschlands Top-Coachs – und bitten
Sie dafür um Ihre Expertise. Kennen Sie
gute und professionelle Coachs? Dann
geben Sie Ihre Stimme ab und tragen Sie
so zur Qualitätssicherung im Coaching-
Markt bei.“ Jeder derart Befragte konnte
dabei für 15 Kategorien jeweils bis zu
fünf Coaches empfehlen. Dazu gehörten
Führungskräfte-Coaching, Teamentwick-
lung, Verkaufscoaching und Change Ma-
nagement, aber auch Selbst- und Zeit-
management Coaching, Life Coaching
und systemisches Coaching. Zudem gab
es die Kategorie „sonstige fachliche Be-
ratungs- und Trainingsleistungen“. Diese
Kategorie habe man aufgenommen, um
den Coachs gerecht zu werden, die nicht
einem der Tätigkeitsbereiche zuzuordnen
sind, schreibt Focus. Ob Fitnesstrainer,
Sprachlehrer oder IT-Dozent – bei Focus
sollte jeder Coach sein dürfen.
Wie kommt Focus auf
144.000 Coachs?
Basis für die vom Marktforschungsun-
ternehmen Statista in Hamburg durch-
geführte Befragung waren angeblich
„144.000 Berater, die auf der neu einge-
richteten Plattform Xing Coachs gelistet“
sind. Zudem habe Xing noch 77.000 Per-
sonalverantwortliche angeschrieben, die
für die Buchung und Zusammenarbeit
mit Coachs zuständig seien, so Focus.
Doch wie kommt Focus auf 144.000 ge-
listete Coachs? Zum Start der Coach-
Plattform im November 2015 sprach Xing
selbst nur von 50.000 Coachs, inzwischen
sind es laut Website nur noch „über
30.000“ und auf Nachfrage gab die Xing-
Pressestelle vor Kurzem sogar nur 15.000
Coachs an.
Als man mit Xing Coachs anfing, habe
man zunächst mit einem groben Filter
alle Xing-Profile gesucht, die einen Hin-
weis darauf hatten, dass jemand etwas
mit Coaching zu tun habe, erklärt Mark-
Sven Kopka, Vice President External
Affairs von Xing. Und das seien eben
144.000 gewesen. Danach habe man
einen strengeren Suchfilter gesetzt und
kam auf 50.000 Profile, die in die neue
Datenbank Xing Coach gestellt wurden.
Diejenigen habe man dann angeschrie-
ben und rund 30.000 hätten inzwischen
aktiv ein Profil als Coach angelegt. Da-
runter wiederum seien rund 15.000 im
Karriere- und Business-Coaching tätig.
Fragwürdige Umfrage
„Statista wollte diese erste Selektion der
144.000“, erklärt Kopka. Für die Umfrage
wurden also nicht die aktiv gemanagten
Coach-Profile genutzt, sondern nur eine
sehr grobe Auswahl von allen Xing-Pro-
filen, die vielleicht irgendetwas mit Coa-
ching zu tun haben. Das erklärt auch,
warum sich unter den Top-Coachs etliche
Trainer und Speaker befinden. „Einige der
Erwählten sind möglicherweise hervorra-
gende Trainer, Berater oder Speaker, aber
keine Coachs nach Definition und Güte-
kriterien des DVCT“, kritisiert Susanne
Lübben, Vorstandsvorsitzende des Deut-
schen Verbands für Coaching und Trai-
ning (DVCT) in Hamburg.
Zu den Exoten in der Liste der Coachs
gehören zum Beispiel Verkaufstrainer
Martin Limbeck, Profi-Speaker Hermann
Scherer sowie etliche Motivationstrainer
04.
... oft Zertifikate
nur vergeben
werden, um den Besitzern den
Marktzugang zu erleichtern.
05.
... es so gut wie keine Überein-
stimmung gibt, was
handwerk-
liche Fehler im Coaching sind.
06.
... Coachs von der
Ausbildung
neuer Coachs leben, für die
dann aber kein Markt da ist.
verliehene „Top-Siegel“ als Werbemittel
nutzen will, muss zahlen, und zwar kräf-
tig. Beim goldenen „Top-Coach-Siegel“
sind es 5.000 Euro plus Mehrwertsteuer
pro Jahr. „Damit können Sie punkten“,
umwirbt der Focus Magazin Verlag die
selbstständigen Coachs. „Aufbau von
Vertrauen und Sicherheit, Profilierung
im Wettbewerb, Positionierung als Coach
und Arbeitgeber, Medienwirksamkeit
durch gezielte Kommunikation.“ Und
Focus-Chefredakteur Robert Schneider
schwärmt: „Die Focus Network-Liste
bietet Orientierung in einem dynamisch
wachsenden Markt und sondiert Anbie-
ter, die nicht nur in der eigenen Branche,
sondern auch bei Kunden einen hervorra-
genden Ruf genießen.“
Kein Ranking der Besten
Das sei ein „absolut seriöses und wis-
senschaftliches Verfahren“, behauptet
eine Focus-Sprecherin, die nicht nament-
lich erwähnt werden möchte. Insgesamt
habe man 520 Coaches ausgezeichnet.
Davon befänden sich 500 auf einer Liste
im Internet
250 der ausgezeichneten Coachs seien in
der gedruckten Focus-Beilage zu lesen.
Aufgrund der begrenzten Kapazität im
Print-Heft habe man mit der Redaktion
entschieden, nur 250 Coachs ins Heft zu
nehmen, schreibt die Sprecherin und er-
klärt: „Die Auswahl der 250 Coachs er-
folgte per Zufallsprinzip.“
Es sind also keineswegs die „besten
Coachs“, die es ins Heft geschafft haben.
Dabei ist Eva Strasser gerade darauf be-
sonders stolz. „Aussagekraft hat die Liste
im Focus-Heft und nicht die mit den 500
Coachs“, sagt die Psychologin mit Coa-
ching-Ausbildung – natürlich ohne zu
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