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wirtschaft + weiterbildung
09_2016
Foto: Jean Catuffe / Getty Images Sport
COACHING.
Mit vollem Namen heißt er Éderzito António
Macedo Lopes. Doch alle nennen den portugiesischen
Fußballprofi „Éder“. Er schoss im Endspiel der Fußball-
Europameisterschaft 2016 das Tor, das Portugal den Sieg
und damit den EM-Titel einbrachte. „Ich widme dieses
Tor meiner Mentaltrainerin Susana Torres“, sagte Éder zu
einem TV-Reporter nach dem Endspiel. Was steckt hinter
dieser ungewöhnlichen Form von Dankbarkeit?
Eines Tages begleitete Susana Torres ihre Tochter zu einem
Fußballspiel und wartete anschließend sehr geduldig, bis das
Kind die Autogramme seiner Lieblingsspieler eingesammelt
hatte. Dabei kam die Mutter mit dem Stürmer Éder ins Ge-
spräch, der beiläufig meinte, es würde sich wohl nicht lohnen,
ein Autogramm von ihm aufzuheben, da er darüber nach-
denke, sich einen anderen Beruf zu suchen. Torres gab sich als
Coach zu erkennen und bot ihre Unterstützung an.
Kein Mental-Coaching ohne konkretes Ziel
In der ersten Coaching-Sitzung fragte Torres ihren neuen Kli-
enten nach seinem Kindheitstraum. „Ich wollte schon immer
einmal in der Premier League, der höchsten Spielklasse des
englischen Fußballs, spielen“, war die Antwort. „Da habe ich
ihm gesagt, dass wir das jetzt zu unserem Ziel machen und
uns eine Frist von sechs Monaten dafür setzen“, so Torres, für
die „coachen“ offenbar auch schon mal „auf den Tisch hauen“
oder „die Hammelbeine langziehen“ heißen kann. Gegenüber
der portugiesischen Tageszeitung „Diário de Notícias“ erklärte
sie, Coaching von Sportlern sei für sie keine in die Tiefe ge-
hende Therapie, sondern eine an konkreten Zielen ausgerich-
tete, kurzfristige Intervention: Der Ratsuchende nennt sein
Ziel, schätzt ein, wie nahe er ihm bislang schon gekommen ist
und plant dann ganz konkret die nächste Aktion, um auf das
Ziel einen weiteren Schritt zuzugehen.
Europameister:
Éders Mental-Coach
schwört auf NLP
Die nötige Kraft und Zuversicht holt sich der Klient unter An-
leitung seines Coachs aus seinen vergangenen Erfolgen, die
mit unterschiedlichen Techniken in Erinnerung gerufen wer-
den. Torres, die als eine von 16 Coachs für die portugiesische
Beratungsgesellschaft „The Miracle Coach“ arbeitet, schwört
auf NLP, das Neurolinguistische Programmieren (Programação
Neuro Linguística), weil die Werkzeuge des NLP aus ihrer
Sicht „sehr praxisrelevant und hoch wirksam“ seien. Am NLP
schätze sie insbesondere die Grundannahme, dass jeder alles,
was er brauche, bereits in sich habe. So werde mit dem Tool
„Time-Line“ recht schnell aufgedeckt, welche Ressourcen ein
Mensch in sich trage und dann könne man als Coach viele
Möglichkeiten nutzen, vergangene Erfolgserlebnisse und die
damit verbundenen positiven Gefühle zu verankern.
Zur großen Überraschung seiner Kollegen schaffte Éder, da-
mals Spieler des portugiesischen Erstligavereins „Sporting
Braga“, in der Saison 2015/16 tatsächlich den Wechsel zum
Premier-League-Verein Swansea City. Für rund sieben Millio-
nen Euro hatten die Waliser den Portugiesen geholt, weil sie in
ihm einen „Hoffnungsträger“ sahen. Doch glücklich wurden
weder der Fußballer noch sein neuer Verein, denn in 15 Ein-
sätzen gelang Éder kein einziger Treffer. Als einer der „größten
Transferflops der jüngsten Vereinsgeschichte“ (so bezeichnete
ihn das Internetportal „Wales-Online“) wurde er gleich wieder
verkauft. Éder landete beim französischen Fußballverein OSC
Lille, wo er aufblühte und in 13 Spielen sechs Tore schoss. Die