wirtschaft und weiterbildung 5/2016 - page 16

menschen
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wirtschaft + weiterbildung
05_2016
Foto: Wasserle
INTEGRATION II.
Der Unternehmer Markus Wasserle freut
sich, dass er schon einige Flüchtlinge als Gebäudereiniger
anlernen und erfolgreich einsetzen konnte. Um sie
besser zu verstehen und angemessen motivieren zu
können, bereiste er deren Heimat, die kurdischen Gebiete
Iraks, und sprach mit Angehörigen und Freunden.
„Jeder zweite ARD-Tatort spielt im Gebäudereinigermilieu,
weil es dort offenbar immer nur um Korruption und Ausbeu-
tung geht“, ärgert sich Markus Wasserle. Der Gebäudereini-
gungsmeister aus Martinsried bei München ist seit 2004 in der
Branche selbstständig. Sein sehnlichster Wunsch: Einmal einen
Lehrling direkt nach dem Schulabschluss ausbilden zu können.
Denn die meisten seiner Azubis kommen erst, wenn sie schon
zwei andere Lehren abgebrochen haben oder „auf der schiefen
Bahn“ waren.
„Ich will auf Augenhöhe führen“
Immerhin ist der 36-Jährige fest entschlossen, das Image seiner
Branche zu verbessern. Und weil der gelernte Landmaschinen-
techniker, der sich wenig Geschick für Technik attestiert, sehr
viel Kreativität hat, gelang ihm das bislang recht gut. Während
die Branche primär Mini-Jobber und Teilzeitkräfte beschäftigt,
arbeiten in seiner 180-köpfigen Belegschaft drei Viertel der
Menschen in Vollzeit. Nur so könne ein Chef sicherstellen, dass
die Mitarbeiter ein Interesse daran hätten, Zeit und Energie in
die eigene Qualifizierung zu investieren.
Ausbildung sei dringend geboten, da die Branche zu 80 bis
100 Prozent Migranten beschäftige, denen es meist an Sprach-
und Kulturkompetenz fehle. Die deutsche Sprache sprechen zu
können, sei zwingend notwendig, da die Mitarbeiter dauerhaft
in kleinen, „internationalen“ Teams in den Räumen der Kun-
Chef besucht
die Heimat „seiner“
Flüchtlinge
den zusammenarbeiten müssten. Bei Wasserle hat der Sprach­
erwerb deshalb oberste Priorität.
Der Samstag ist der vom Chef festgelegte Tag, an dem Deutsch-
unterricht für alle stattfindet. Und nach einem Jahr muss die
B1-Prüfung abgelegt werden, die die Sprachkenntnisse ob-
jektiv dokumentiert. Mit Bianca Holzapfel hat Wasserle eine
Integrationsmanagerin eingestellt, die die Lernfortschritte im
Auge behält und notfalls den Lernenden unterstützend zur
Seite steht. Mehr noch: Die gelernte Altenpflegerin vermit-
telt im Einzelfall eine Wohnung, Sozialkontakte und fördert
kulturelles Training, das Werte wie Pünktlichkeit, Sauberkeit
oder Sorgfalt vermittelt. „Unsere Kunden kaufen bei uns nicht
Nächstenliebe, sondern Qualität“, begründet Wasserle, der mit
der Betreuung von gut 300 Gebäuden in München, Augsburg,
Nürnberg und Stuttgart zuletzt knapp 4,5 Millionen Euro um-
gesetzt hat, seine Aktivitäten, die weit über das übliche Maß
hinausgehen. Die Folge: Eine Fluktuationsquote von nahezu
Null und außerdem gibt es immer mehr Mitarbeiter, die sich
in monatlichen Managementseminaren intern zu Objektleitern
weiterbilden lassen.
Dieser zweiten Führungsebene ist es zu verdanken, dass Was-
serle ein moderates Wachstum realisieren kann. Ein jüngst
eingeführtes Mitarbeiterbeteiligungsmodell ist ein weiterer
Baustein, Loyalität und Identifikation mit dem Unternehmen
zu fördern. Der Mindestlohn war bei Wasserle von Anfang an
noch nie ein Thema.
Verstehen lernen.
Um die
Irak-Flüchtlinge unter seinen
Mitarbeitern besser zu ver-
stehen, besuchte der Münch-
ner Unternehmer Markus
Wasserle deren Verwandte
im Nord-Irak. Das Foto zeigt
ihn als Gast einer kurdischen
Familie in der autonomen
Region Kurdistan.
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