Wirtschaft und Weiterbildung 10/2016 - page 31

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wirtschaft + weiterbildung
10_2016
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Die digitale Transformation ist gegenwär-
tig eine der zentralen Herausforderungen
für Unternehmen und Organisationen
in verschiedensten Branchen. Digitale
Transformation meint den Einsatz von
Technologien und die Anpassung von
Geschäftsmodellen, um Kunden besser
als bisher an zentralen (digitalen) Erleb-
nispunkten bedienen zu können. Digi-
tale Transformation erfordert ein gutes
Verständnis des Kundenverhaltens und
der Kundenpräferenzen und davon aus-
gehend eine Anpassung der Organisation
beziehungsweise der Leistungsprozesse.
Herausfordernd ist dabei, auf der einen
Seite die bisherigen Produkte und Leis-
tungen fortzuführen und gleichzeitig die
Anpassung des Angebotsportfolios in
Richtung digitaler Produkte und Leistun-
gen zu verfolgen.
Digitale Transformation ist auch ein
Thema für Bildungsorganisationen: für
Institutionen wie Schulen und Hochschu-
len, für betriebliche Bildungsbereiche
beziehungsweise Einheiten der Personal-
entwicklung und für Bildungsanbieter,
die auf dem offenen Markt agieren. Diese
Transformation betrifft alle Leistungspro-
zesse, vom Bildungsmarketing über die
Rekrutierung von Teilnehmern, das Ma-
nagement von Bildungsprogrammen, die
Gestaltung der Lehr-/Lernprozesse bis
hin zu Abschlussbescheinigungen und
zum Alumni-Management. Neue Wei-
terbildungsformate und Zertifizierungen
werden ebenso diskutiert wie Web- und
Cloud-basierte Plattformen für Lernen
und Zusammenarbeit. Und es wird ge-
fordert, dass bisherige Programme und
Dienstleistungen nicht einfach um ein-
zelne digitale Elemente ergänzt werden,
sondern vielmehr eine veränderte Lern-
kultur etabliert und neue Geschäftsmo-
delle für die betriebliche Personalent-
wicklung definiert werden.
Rahmenmodell: Digitalisie-
rung in Aus- und Weiterbildung
Um die mit der digitalen Transformation
verbundenen Veränderungen und Her-
ausforderungen im Bereich der Weiter-
bildung beziehungsweise Personalent-
wicklung systematisch in den Blick zu
nehmen und anzugehen, sind geeignete
Bezugsrahmen erforderlich. Ausgehend
von allgemeinen Management-Konzepten
wie dem St. Galler Management-Modell
unterscheiden wir drei Ebenen:
normative Ebene:
Beantwortung der
Grundfrage nach dem „Warum?“,
„Wozu?“ von betrieblicher Personal-
entwicklung
strategische Ebene:
Ausgestaltung des
Betriebs- oder Geschäftsmodells
operative Ebene:
konkrete Umsetzung
von Personalentwicklungsleistungen.
Das folgende Fallbeispiel der digitalen
Transformation der Bildungsorganisation
CYP fokussiert die strategische Ebene.
Um diese systematisch zu betrachten,
legen wir ein Rahmenmodell zugrunde,
das auf Konzepten zur (Weiter-)Entwick-
lung von Geschäftsmodellen sowie Kon-
zepten zur digitalen Transformation von
Dienstleistungen basiert und folgende
Elemente umfasst (siehe Grafik „Be-
triebs-/Geschäftsmodell: Elemente“):
Kunden
Kundengruppen:
Für wen wollen wir
Mehrwert erzeugen?
Kundenbeziehungen:
Welche Art von
Beziehung pflegen wir zu unseren Kun-
dengruppen?
Kundenreise & Erlebnispunkte:
Wie
werden potenzielle Kunden zu Kun-
den? Was sind zentrale Erlebnispunkte?
Angebotsportfolio
Digitale Kompetenzen:
Welche Kompe-
tenzen sind in einer digitalen Lern- und
Arbeitswelt erforderlich und wie wer-
den diese entwickelt?
Produkte:
Welche Produkte bieten wir
unseren Kunden an?
Dienstleistungen:
Welche Dienstleistun-
gen/Services bieten wir den Kunden?
Wertkette
Rollen und Prozesse:
Wie gestalten wir
die Rollen und Prozesse, die unseren
Leistungen zugrunde liegen?
Ressourcen & Partner:
Welche Ressour-
cen benötigen wir für das Erbringen
der Leistungen? Wer sind die Partner
zur Umsetzung des Wertversprechens?
Logistik:
Wo und wie können unsere
Angebote und Leistungen genutzt wer-
den?
Nutzen und Ertrag
Wertversprechen:
Welchen Mehrwert
bieten wir unseren Kunden?
Aufwand & Kosten:
Was wenden wir
auf? Wofür fallen Kosten an?
Nutzen & Einnahmen:
Was erhalten wir
von unseren Kunden? Wie generieren
wir Einnahmen?
Damit sind zentrale Aspekte benannt, die
durch eine Bildungsorganisation (neu)
gestaltet werden müssen, um in einer di-
gitalisierten Lern- und Arbeitswelt nach-
haltig erfolgreich operieren zu können.
Praxisbeispiel: Digitalisierung
Personalentwicklung bei CYP
CYP ist in Zürich beheimatet und wurde
2003 von den größten Schweizer Banken
als Ausbildungszentrum für das Bankfach
in der Schweiz gegründet. Inzwischen
hat sich CYP erfolgreich zum führenden
Kompetenzzentrum der Schweizer Ban-
ken für modernes und nachhaltiges Ler-
nen weiterentwickelt. Im Jahr 2012 wurde
dort die Ausbildung grundlegend umge-
staltet und anstelle von zuvor mehreren
Tausend (Papier-)Seiten mit Lernunterla-
gen wurden fortan nur noch digitale Lern-
materialien über eine neu geschaffene
Plattform zur Verfügung gestellt. Gleich-
zeitig wurden alle Lerner mit Tablets und
den erforderlichen Apps ausgestattet. Der
Einsatz von digitalen Lernmaterialien,
Apps und Tablets ist heute die Grundlage
für verschiedenste Lehr-/Lernszenarien,
von Lehrvorträgen und dem Erstellen von
persönlichen Notizen über Einzel- und
Gruppenarbeiten bis hin zu Prüfungen,
die ebenfalls auf den Tablets geschrieben
werden. Im Folgenden stellen wir dar, wie
die Aspekte des Rahmenmodells bei CYP
konkret gestaltet sind.
Element „Kunden“
Kundengruppen:
Ursprünglich bediente
CYP ausschließlich die Kundenbanken
in der Schweiz und deren Auszubildende
und Lernende. Auf der Basis neu erwor-
bener digitaler Kompetenzen kann CYP
als Bildungsanbieter auch neue Kunden-
gruppen mit neuen Leistungsangeboten
bedienen, zum Beispiel Berufspersonen,
Praxisausbilder, Lehrpersonen und Schul-
leitungen zu Kunden.
Kundenbeziehungen:
CYP agiert gegen-
über seinen Kunden primär als Anbieter
von Bildungsdienstleistungen.
Wertversprechen:
Zentrales Element des
Wertversprechens von CYP an die Kun-
1...,21,22,23,24,25,26,27,28,29,30 32,33,34,35,36,37,38,39,40,41,...68
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