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zogenen Techniken übertragen auf den
Organisationskontext?“ Der Vorwurf hin
ter der Frage: Scharmer vergesse beim
Thema „Change“ die Dynamik von Sys
temen. Er habe zwar das Buch „Soziale
Systeme“ des Soziologen Niklas Luh
mann im Literaturverzeichnis erwähnt,
berücksichtige in seiner Arbeit aber nicht,
dass innerpsychische Prozesse streng ge
trennt werden müssten von den Kommu
nikations- und Entscheidungsprozessen
im Unternehmen (mehr ab Seite 24).
Sind gesellschaftliche
Prozesse gezielt steuerbar?
Scharmer erklärte dazu, dass sich in der
„Theorie U“ die Grenzen zwischen Indi
viduum, Team und Organisation auflös
ten – nach demselben Muster, wie sich
im „Presencing“ die Trennung zwischen
Denken und Fühlen aufhebe. Die Art und
Weise, wie zum Beispiel die Achtsamkeit
erhöht werde, sei für ein Individuum oder
eine Organisation letztlich identisch. Indi
viduen, Teams, Unternehmen und sogar
weltumspannende Organisationen entwi
ckelten sich nach identischen Prinzipien.
Ein weiterer Einwand gegen Scharmer
bezog sich auf dessen Vorstellung, dass
Menschen, die Kontakt zum „Feld der Zu
kunft“ gehabt hätten, Organisationen oder
gar gesellschaftliche Entwicklungen gezielt
zum Besseren hin steuern sollten. Die Idee,
Prozesse gezielt steuern zu können, haben
systemische Theoretiker wie Change-Prak
tiker aufgrund der Unberechenbarkeit von
Individuen längst aufgegeben.
Immerhin verdankt die Organisations
entwicklung der „Theorie U“ den Denk
anstoß, dass es heute nicht mehr ausrei
che, alle Stakeholder eines Unternehmens
an einem Veränderungsprozess zu betei
ligen. Die Entwicklung der Wirtschaft
verlangt laut Querdenker Scharmer zu
sätzlich mehr individuelle wie kollektive
Achtsamkeit und am besten einen Zugang
zum „sozialen Feld“, einem „gemein
samen Bewusstseinsraum“, in dem die
künftigen Innovationen zu erahnen sind.
Dass das Bewusstsein vieler Menschen
sich in einem großen Moment verbinden
könne, wollte Systemik-Pionier Prof. Dr.
Fritz B. Simon auf dem „Carl-Auer-Labor“
gerne glauben. Er hatte dann aber doch
noch eine Frage. Wenn jemand während
einer Mediation Zugang zum sozialen
Feld habe, dann könne nur er alleine die
sen inneren Prozess beobachten. Damit
es zu einem gemeinsamen „Bewusst
seinsraum“ komme, müsse jeder über
sein inneres Erlebnis berichten.
Simons Frage lautete also: „Wie sieht die
Kommunikation aus, wenn das Bewusst
sein mehrerer sich verbindet?“ Diese
Frage blieb im Verlauf der Veranstaltung
unbeantwortet. Klar ist aber: Die „Theo
rie U“ sollte nach weiteren Möglichkeiten
suchen, ihr „soziales Feld“ zu beschrei
ben. Zumindest auf der Ebene der Tools
kann die „Theorie U“ mit einem vorbild
lichen, ausreichend gefüllten Werkzeug
koffer glänzen. Die wichtigsten Tools sind
(
):
• Stakeholder Interview (eigene Arbeit
durch die Augen des Stakeholders
sehen)
• Dialogue Interview (andere zum Nach
denken über sich selbst bringen)
• Shadowing (eine Person während der
Arbeit begleiten und daraus lernen)
• Sensing Journey (kleine Reisen zu un
terschiedlichen Orten des Systems)
• „U“-Journaling (angeleitetes intuitives
Schreiben führt zu Reflexionsprozess)
• Case Clinics (Fallgeber präsentiert einer
Gruppe ein Anliegen und bittet um Lö
sungsideen).
Bei dieser Gelegenheit sollten sich Orga
nisationsentwickler daran erinnern, dass
Lawrence L. Lippitt bereits 1998 ein Buch
mit dem Titel „Preferred Futuring“ veröf
fentlichte. Lippitts Botschaft lautete: Wer
eine brennende Vision von der Zukunft
hat, erzeugt automatisch die nötige Kraft,
sie zu erreichen. Nach 30 Jahren Erfah
rung und Entwicklung baute Lippitt das
„Preferred Futuring“ zur „Whole Scale“-
Großgruppenmethode aus – noch heute
ein nützliches, ausgeklügeltes Werkzeug,
um Veränderungsenergie zu erzeugen.
Martin Pichler