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wirtschaft + weiterbildung
10_2016
Foto: Schreiber & Partner
INTERVIEW.
Nur wenige Verkaufstrainer und Vertriebs
berater kennen die Art, wie Einkaufsverhandlungen in der
Industrie ablaufen. Peter Schreiber, Ilsfeld bei Heilbronn, ist
einer von ihnen. Er erklärt uns den Konflikt zwischen VW
und seinem Zulieferer Prevent. Ähnliche Marktstrukturen
wie in der Automobilindustrie existieren in vielen Branchen.
Deshalb sind auch dort Konflikte gang und gäbe.
Wo sahen Sie die Ursache für den Konflikt zwischen VW und
seinem Zulieferer Prevent?
Peter Schreiber:
In den Marktstrukturen. Auf der einen Seite
stehen die knapp ein Dutzend Autohersteller weltweit und auf
der anderen Seite Tausende von Automobilindustrie-Zuliefe
rern, die mit diesen Herstellern, aber auch deren Topliefe-
ranten, Geschäfte machen möchten. Diese Marktstruktur führt
immer wieder zu Interessengegensätzen und Konflikten.
Warum?
Schreiber:
Weil die Lieferanten, die auf der jeweils nächsthö-
heren Stufe der Lieferpyramide Teilelieferant, Komponenten-
lieferant, System- und Modullieferant und Hersteller stehen,
eigentlich stets die Auswahl zwischen einer Vielzahl von
Lieferanten haben. Daraus resultiert ein Machtgefälle. Solche
Strukturen gibt es aber nicht nur in der Automobilindustrie. Sie
existieren, wenn auch meist nicht so stark ausgeprägt, auch in
anderen Branchen – zum Beispiel im Maschinenbau, in weiten
Teilen der Informations- und Kommunikationstechnik-Indus-
trie, im Baugewerbe und im Einzelhandel.
Was dazu führt, dass die Lieferanten von ihren Kunden
abhängig und im Extremfall erpressbar sind?
Schreiber:
Das Wort erpressbar würde ich in diesem Zusam-
menhang ungern gebrauchen, obwohl dies faktisch viele Teile-
und Komponentenlieferanten sind. Wenn man von Erpressung
Von „bösen“
Herstellern und
„armen“ Lieferanten
spricht, landet man schnell bei solchen Kategorien wie „der
böse Hersteller“ und „die armen Lieferanten“. Solche mora-
lischen Kategorien sind aber nicht zielführend.
Weshalb?
Schreiber:
Weil letztlich alle Unternehmen, egal ob sie Autos,
Waschmaschinen oder Handys, Getriebe, Sitze oder Sensoren
produzieren, in einem scharfen Wettbewerb stehen und für
ihre Kunden, sowohl Geschäfts- also auch Privatkunden, der
Preis ein zentrales Kaufentscheidungskriterium ist. Deshalb ist
es eine Kernaufgabe des Einkaufs jedes Unternehmens. mög-
lichst preiswert einzukaufen – unabhängig davon, ob es sich
um einen Hersteller wie VW oder einen Industriezulieferer
handelt. Also ist es auch seine originäre Aufgabe auszuloten:
Was ist für uns noch drin, wenn wir zum Beispiel den Liefe-
ranten wechseln? Oder den Lieferprozess neu strukturieren?
Oder einen zweiten Lieferanten mit ins Boot holen? Deshalb
bezweifle ich auch, dass zum Beispiel die großen Systemliefe-
ranten weniger hart mit ihren Zulieferern verhandeln, als dies
die Autohersteller tun. Wenn sie es täten und beim Einkauf
nicht auch ihre Marktmacht nutzen würden, nähmen ihre Ein-
käufer, überspitzt formuliert, ihren Job nicht wahr.
Also bringt es nichts, über die bösen Einkäufer zu jammern ...
Schreiber:
Richtig. Dafür, dass im Markt ein gewisses Fair Play
herrscht, sind die Kartellbehörden und Gesetzgeber zuständig.