wirtschaft und weiterbildung 7-8/2015 - page 22

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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2015
titelthema
R
fängliche Optimierungsmaßnahmen für
Gewinn sorgte. Aber schon bald gab es
Kritik an Löschers „wenig kooperativem
Führungsstil“ und eine mangelnde Inno­
vationskraft des Konzerns wurde auch
ihm zugeschrieben. Hinzu kam, dass er
ein viel zu ambitioniertes Umsatzziel von
100 Milliarden Euro ausgab, von dem kei­
ner wusste, wie man es erreichen könnte.
Die Vermutung liegt nahe, dass die Be­
schäftigten von Siemens damals „mit
Empathie und fachlicher Kompetenz“ als
Team hätten motiviert werden müssen,
aber Löscher versagte als Anführer. Als
er zwei Gewinnwarnungen innerhalb von
wenigen Monaten verkünden musste,
wurde er im Juli 2013 an die frische Luft
gesetzt.
Diese und viele weitere leicht konsumier­
bare Beispiele stammen aus dem Buch
„Gescheiterte Titanen“. Carsten Knop,
der Autor, ist Wirtschaftsredakteur bei
der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Be­
sonders spannend wird es, wenn Knop
über seine Zeit als Wirtschaftskorrespon­
dent in den USA berichtet. So beschreibt
er den „Steve-Jobs-Effekt“. Steve Jobs ist
in sein Unternehmen (Apple) zurück­
gekehrt, um es vor dem Ruin zu retten.
Auch andere Unternehmen haben spä­
ter versucht, Gründer oder Führungs­
personen aus erfolgreicheren Zeiten zu­
rückzuholen, um den Effekt zu wiederho­
len: Starbucks zum Beispiel oder Yahoo
und Dell. Bei Starbucks hat es geklappt,
bei Yahoo nicht. Und der ebenfalls an
die Spitze seines Unternehmens zurück­
gekehrte Michael Dell hat die Lage dort
zwar stabilisiert, aber nicht annähernd
den Erfolg erzielt, den Jobs in seiner
zweiten Amtszeit bei Apple für sich rekla­
mieren konnte.
Carsten Knop will aber nicht nur Bei­
spiele liefern, sondern auch die Frage be­
antworten, wie denn der erfolgreiche Top-
Manager der Zukunft aussehen müsse.
Dabei zeigt sich, dass es einfach zu wenig
ist, wenn ein Autor nur seine Beobach­
tungen und seine individuellen Schluss­
folgerungen aufschreibt. Gerade diesem
Buch hätte es gutgetan, wenn der Autor
seine Ansichten über gute Führung mit
denen anderer Autoren verglichen hätte.
Die Literatur zum Thema „postheroische
Führung“ ignoriert Knop zum Beispiel
völlig.
Viele Beispiele über den tiefen
Fall von Helden
Wer in seinen Seminaren dem Führungs­
nachwuchs erklären will, woran Manager
scheitern, braucht Beispiele. Josef Acker­
mann machte seine Arroganz zu schaf­
fen, Leo Apotheker stürzte über seine
Selbstüberschätzung, Nicolas Berggruen
fehlte für Karstadt schlicht eine Strategie,
bei Thomas Middelhoff lässt sich Reali­
tätsverlust attestieren und bei Gerhard
Cromme die Unfähigkeit, mit Kritik klug
umzugehen. Besonders schwer hat es Leo
Apotheker getroffen, der von ganz unten
zum SAP-Vorstandschef aufstieg und der
in seinem neuen Job gleich richtig hart
auf die Kostenbremse treten und gleich­
zeitig die Preise erhöhen musste. Nach
einer katastrophalen Mitarbeiterbefra­
gung und einem Käuferstreik wurde er
gefeuert. Kurze Zeit später wurde er beim
US-Computerkonzern Hewlett-Packard
als Vorstand eingestellt. Aber auch dort
entgleiste sein Karrierezug und er musste
überraschend wieder abtreten.
Noch brutaler und „schmachvoller“ war
das Ende von Peter Löscher als Vorstands­
chef von Siemens. Zuerst wurde er umju­
belt, weil er nach einer Schmiergeldaffäre
für den Neuanfang stand und durch an­
Einfacher Reflexionsprozess
– aber wirksam
Im Jahr 1992 veröffentlichte John Whit­
more, ein ehemaliger britischer Rennfah­
rer mit Erfahrungen im Mentaltraining,
das Buch „Coaching for Performance“,
das 1994 bei Campus unter dem Titel
„Coaching für die Praxis“ erschienen ist.
Im Laufe der Jahre wurde das Buch in
über 20 Sprachen übersetzt. Whitmore
gilt als der richtungsweisende Coach im
englischsprachigen Raum. Sein Motto:
„In Zeiten großer Unsicherheit kann Coa­
ching Klarheit bringen. Es hilft, Ängste,
Sorgen, Isolation und Konkurrenz abzu­
bauen und kann für Vertrauen, Hoffnung
und Kooperation sorgen.“
Der Klassiker erschien jetzt in einer er­
weiterten Fassung bei Junfermann.
Wer als Coach oder Personalentwickler
„seinen“ Whitmore noch nicht kennt,
sollte ihn jetzt lesen. Man lernt einen
einfachen, erprobten Coaching-Prozess
kennen (siehe auch Interview-Kasten auf
Seite 23), der in Großbritannien Standard
ist. Das Buch mit seinen handfesten Tools
verströmt die Aufbruchstimmung von vor
23 Jahren. Die neuen Kapitel ergänzen
das Buch um aktuelle Theorien zu Füh­
rung und Psychologie.
Carsten Knop:
Gescheiterte Titanen – Welche neuen
Manager unsere Welt braucht,
Frankfurter Allgemeine Buch,
Frankfurt/Main 2015, 191 Seiten,
19,90 Euro
John Whitmore:
Coaching for Performance: Potenziale
erkennen und Ziele erreichen,
Junfermann Verlag,
Paderborn 2015, 224 Seiten,
22,90 Euro
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