wirtschaft und weiterbildung 7-8/2015 - page 26

titelthema
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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2015
fahrungslernen zum Mittelpunkt (!) von
Nachwuchsentwicklungsprogrammen ge­
macht haben. Es geht in einem weiteren
Kapitel aber auch sehr konkret um ein­
zelne Bausteine, die in den Entwicklungs­
programmen eine Rolle spielen. Das dritte
zentrale Kapitel liefert Beispiele, wie man
den Nutzen des Erfahrungslernens noch
durch einige Sahnehäubchen vergrößern
kann – zum Beispiel durch virtuelle Si­
mulationen oder Coaching-Tools.
Grundsätzlich kann man sagen, dass die
am Arbeitsplatz gemachten Erfahrungen
nur dann die Kompetenz eines Mitarbei­
ters erhöhen, wenn er seine Erfahrungen
auch reflektiert. Dieser Reflexionsprozess
sollte durch den Arbeitgeber angeleitet
werden, da das Nachdenken über sich
selbst nicht jedermanns Sache ist. Oft hel­
fen Lerntagebücher, die bestimmte Ana­
lyseschemata vorgeben. Oft gibt es auch
Lernpartner (wie zum Beispiel den Vor­
gesetzten), die bei Gelegenheit Aufarbei­
tungsgespräche mit dem Lernenden füh­
ren. Das Buch beschreibt im Detail alle
nur denkbaren Reflexionshilfen – vom
Dialog mit einem Computer bis zur After-
Action-Review mit dem Vorstand.
Die meisten Unternehmen wollen – ins­
besondere im Rahmen eines Entwick­
lungsprogramms – nicht warten, bis sich
im Tagesgeschäft relevante Erfahrungen
einstellen. Sie sorgen mit unterschied­
lichen Personalentwicklungsmaßnahmen
dafür, dass besondere Lernsituationen
entstehen. Häufig kommt Jobrotation
zum Einsatz. Für unterschiedliche Chefs
gearbeitet zu haben, fördert alleine schon
das Erfahrungslernen.
Oder ein Mitarbeiter wird von einer Nie­
derlassung für ein halbes Jahr in die
Zentrale versetzt (oder umgekehrt), um
in abteilungsübergreifenden Projekten
mitzuarbeiten und dabei die strategische
Ausrichtung des Gesamtunternehmens
besser kennenzulernen und seine Sozi­
alkompetenzen im Umgang mit unter­
schiedlichsten Kollegen zu verbessern.
Die Vielzahl der Möglichkeiten, die der
Autor aufzählt, gezielt tief greifende Er­
fahrungen zu machen, ist erstaunlich.
Erhöht wird der Wert des Buchs nur noch
dadurch, dass Firmen wie Glaxo Smith
Kline, Heineken, IBM, Microsoft, 3 M und
Tata Group Erfahrungsberichte und Kon­
zepte beigesteuert haben.
Erfahrungen mit dem „Lernen
aus Erfahrung“
Jeder kennt wohl einen Kollegen oder
eine Kollegin, die berufliche Niederlagen
erlebten, sich aber hartnäckig weigerten,
etwas daraus zu lernen. Sei es, weil sie
sich sicher waren, dass ausschließlich
ungünstige Umstände für das Scheitern
verantwortlich waren, sei es, weil sie ein­
fach Angst hatten, zu viele Schwächen
bei sich zu entdecken.
Mit der Frage, wie man „Experience“ in
„Expertise“ umwandelt, befasst sich das
legendäre Center for Creative Leadership
(CCL) in Greensboro, NC/USA, schon seit
rund 20 Jahren. Und die Leute aus North
Carolina sind beim Thema „Erfahrungs­
lernen“ konsequent am Ball geblieben.
Ende letzten Jahres haben sie ein Buch
auf den Markt gebracht, dass sich sehr
fundiert damit auseinandersetzt, wie das
Lernen aus Erfahrungen funktioniert und
von der Personalabteilung unterstützt
werden kann.
Das Buch bietet eine umfangreiche Ein­
führung ins Thema und eine gekonnte
Zusammenfassung aller Praktikerbeiträge
am Ende des Buchs. In den drei zentra­
len Kapiteln geht es um Konzepte aus
verschiedenen Unternehmen, die das Er­
Cynthia D. McCauley,
Morgan W. McCall:
Using Experience to Develop
Leadership Talent,
Verlag Jossey-Bass, San Francisco
2014, 480 Seiten, 90 US-Dollar
Die Zukunft: Herausforde-
rungen agil begegnen
John Paul Kotter ist Professor für Füh­
rungsmanagement an der Harvard Busi­
ness School. Er gilt als Guru in Sachen
Veränderungsmanagement. Er ist auch
Vorsitzender von Kotter International,
einer Management-Beratungsgesellschaft
in Seattle und Boston. Als wacher Geist
hat Kotter längst beobachtet, dass hierar­
chische Organisationsmodelle mit dem
schnellen Wandel der Märkte nicht mehr
mitkommen. Seine Lösung ist ebenso
einfach wie verblüffend: Neben der Hier­
achie sollte zusätzlich eine Netzwerkor­
ganisation aufgebaut werden. Beide Orga­
nisationen bilden zusammen ein duales
System. Während sich die Aufbauorga­
nisation mit dem Management des ope­
rativen Geschäfts beschäftigt, kümmert
sich die Netzwerkorganisation um die
Entwicklung und Umsetzung von stra­
tegischen Initiativen. Diejenigen, die für
Innovationen zuständig sind, können das
endlich ohne Druck aus dem operativen
Alltagsgeschäft tun.
Wie aus deutschen Verlegerkreisen be­
kannt wurde, wird der Vahlen-Verlag im
Herbst Kotters Buch „Accelerate“ auf
Deutsch veröffentlichen.
John P. Kotter:
Accelerate: Building Strategic Agility
for a Faster-Moving World,
Harvard Business Review Press,
Boston 2014, 224 Seiten,
18 US-Dollar
1...,16,17,18,19,20,21,22,23,24,25 27,28,29,30,31,32,33,34,35,36,...68
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