wirtschaft und weiterbildung 7-8/2015 - page 16

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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2015
RÜCKBLICK.
Der Psychologe, Netzwerkforscher und
Unternehmensberater Dr. Peter Kruse, Bremen, starb am
1. Juni 2015 im Alter von 60 Jahren völlig überraschend
an Herzversagen. Seine lebendige Art, mit der er die
komplexen Prozesse in intelligenten Netzwerken – vom
menschlichen Gehirn bis hin zum Internet – erklärte,
machte ihn zu einem gefragten Kongressredner.
Peter Kruse lehrte als Honorarprofessor für Allgemeine und Or-
ganisationspsychologie an der Universität Bremen. Gleichzeitig
war er ein erfolgreicher Unternehmensberater. Im Jahr 2001
gründete er die „Nextpractice GmbH“, die sich im Laufe der
Zeit auf die Begleitung von Change-Projekten in Unternehmen
sowie auf Trendforschung spezialisierte. Kruses Beratungsan-
satz überträgt Erkenntnisse der Hirnforschung und der Theo-
rie dynamischer Systeme auf Veränderungsprozesse in Unter-
nehmen. Er und sein Team waren Entwickler verschiedener
computergestützter Managementwerkzeuge zum Umgang mit
Komplexität.
Den Wertewandel sichtbar machen
Als wichtigste Innovation, die auf Kruse zurückgeht, gilt das
Tool „Nextexpertizer“. Es ist ein Mittelding zwischen standar-
disiertem Fragebogen und qualitativem Interview. Standar-
disierte Fragebögen erlauben eine hohe Vergleichbarkeit der
Ergebnisse, erreichen aber oft nicht eine substanzielle Aussage-
kraft. Qualitative Interviews erlauben dagegen zwar eine diffe-
renzierte Erhebung komplexer Zusammenhänge, aber die Ein-
zelaussagen lassen sich nur sehr schwer miteinander verglei-
chen. Beim Interview- und Analysewerkzeug „Nextexpertizer“
von Kruse müssen die Teilnehmer bestimmte Worte paarweise
vergleichen. Durch die Vergleiche werden „Ordnungsmuster“
offengelegt, die dann einem Computerprogramm einen Zugang
zu unbewussten Bewertungen ermöglichen. Damit gelang es
auf einer mathematischen Basis, qualitative (!) Einschätzungen
quantitativ (!!) vergleichbar zu machen. Diese Methode führte
oft zu sehr guten Prognosen. So konnte Kruse schon früh da-
rauf hinweisen, dass selbst für wohlhabende Bürger das Auto
als Statussymbol an Wert verlieren und Carsharing an Akzep-
tanz gewinnen wird. Für alle, die mehr wissen wollen: Die
Basis für Kruses Arbeit bildet die „Repertory-Grid-Technik“ des
amerikanischen Psychologen George A. Kelly.
Einer breiten Öffentlichkeit wurde Kruse durch sein Buch „Next
Practice – Erfolgreiches Management von Instabilität“ (Gabal
Verlag, 2004) bekannt. Damals betonte Kruse nachdrücklich,
dass der Best-Practice-Ansatz nur so lange als Managementan-
satz funktioniere, wie die Rahmenbedingungen stabil seien.
Die Best-Practice-Strategie müsse jedoch scheitern, wenn sich
die Umwelt ändere. Dann sei der Next-Practice-Ansatz gefragt.
Der bestehe aus der Veränderung der Prozessmuster. Folglich
sei die Fähigkeit zur Gestaltung von Prozessmusterwechseln
entscheidend für die Überlebensfähigkeit in vernetzten Märk-
ten. In seinem zweiten Teil stellt das Buch Managementwerk-
zeuge vor, die es erlauben, Veränderung in Organisationen zu
messen und zu fördern.
Außerdem gewann Kruse durch seinen ausgesprochen dyna-
mischen und gleichzeitig sehr informativen Vortagsstil auf di-
versen Messen und Kongressen viele Bewunderer, für die er
der „Netzkultur-Guru“ war. Von der Enquete Kommission für
Foto: Zukunft Personal 2013/Fotostudio Franz Pfluegl
Vernetzungsexperte
Peter Kruse
gestorben
Große Bühne.
Von fast allen Weggefährten
wird Kruses Vortragsstil als sehr inhalts-
geladen und gleichzeitig sehr mitreißend
bezeichnet. Hier „rockt“ er gerade die
Keynote-Speaker-Bühne auf der „Zukunft
Personal 2013“ in Köln.
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