menschen
14
wirtschaft + weiterbildung
07/08_2015
PORTRÄT.
Wir begehen in diesem Jahr den 50. Todestag
von Martin Buber (1878 – 1965), dem jüdischen
Religionsphilosophen, der mit seinen Gedanken auch die
humanistische Psychologie und damit zum Beispiel die
Konzepte von der Bedeutung eines gelungenen Dialogs
(David Bohm) oder einer entwicklungsfördernden
Ich-Du-Beziehung (Gestalttherapie) beeinflusst hat.
Manches übermittelt sich besser als Anekdote: Als junger, idea-
listischer und naiver Student beschwerte ich mich bei meinem
philosophischen Lehrer Carl-Friedrich von Weizsäcker darüber,
dass bei so vielen Denkern die kundgetane Theorie und deren
konkrete Umsetzung im eigenen Leben doch sehr auseinan-
derfielen. Ich wollte wissen, wer in dieser Hinsicht denn ein
besonderes Vorbild sein könne. Darauf bekam ich ohne jedes
Zögern drei Namen genannt: Niels Bohr, Gopi Krishna und
Martin Buber. Weizsäcker erzählte sichtlich gerührt von der
Präsenz und Herzenswärme Bubers, der seine Philosophie des
Dialogs für sein Gegenüber in jeder Begegnung spürbar werden
ließe. Bubers unmittelbare und wertschätzende Zugewandtheit
war demnach nicht nur ein Gedankengebäude, sondern eine
gelebte Praxis.
Es gab im letzten Jahrhundert viele Denker, welche die do-
minante metaphysisch-rational-naturwissenschaftliche Phi-
losophie, Theologie und Politik der westlichen Welt kritisiert
und dekonstruiert haben. Buber war zusammen mit Emanu-
elle Levinas derjenige, der die unbedingte, nicht-wertende und
nichts-wollende Präsenz als Grundlage einer menschlichen Be-
gegnung und eines gelingenden Verständigungsprozesses he-
rausgearbeitet hat. Damit hat er viele andere wie Carl Rogers,
Karl Jaspers, Fritz Perls und Maurice Friedman inspiriert. Über
die Tradition der humanistischen Psychologie sind aus seinem
Gedankengut Konzepte vom Dialog (David Bohm) oder von
der Ich-Du-Beziehung (Gestalttherapie) entwickelt worden.
Einer von Bubers zentralen Begriffen ist das „Zwischen“. In
seinem ganzen Denken wird die Idee kultiviert, dass die Be-
ziehung – das, was sich „zwischen“ Menschen ereignet – ein
eigenständiges Phänomen sei. Kongenial mit damals noch gar
nicht ausformulierten systemtheoretischen Überlegungen zur
Kommunikation gelang es ihm, darauf aufmerksam zu ma-
chen, dass wir als Personen nicht kontrollieren können, wie
wir verstanden werden und ob der andere so an uns anknüpft,
wie wir uns das wünschen.
Führungskompetenz: Empathie ist
unverzichtbar
Das „Zwischen“ führt ein Eigenleben. Damit ist es auch nicht
kontrollierbar und steht damit quer zu den modernen Ideen
von „richtiger“ Kommunikation. Buber benutzt stattdessen das
heute aus der Mode gekommene Wort „Gewahrsein“. Damit
verankert er (Führungs-)Kompetenz nicht auf der Ebene von
Verhalten, sondern auf der Ebene von Selbst- und Fremdwahr-
nehmung. Er selbst betont, dass man diese nicht aus Büchern
lernen würde und könne. Buber: „Es kommt einzig darauf an,
bei sich zu beginnen, und in diesem Augenblick habe ich mich
um nichts anderes in der Welt als um diesen Beginn zu küm-
mern.“ Heute nennt man das Coaching.
Diese Erkenntnis – dass ohne intensive Auseinandersetzung
mit der eigenen Person – kein gelingendes (Führungs-)Leben
Foto: Getty-images
„Erfolg ist keiner
der Namen Gottes“
Martin Buber.
Der Philosoph wurde in
einer ruhigen Minute im Garten seines
Hauses in Jerusalem von seinem Freund,
dem Arzt und Psychologen Viktor Frankl,
fotografiert. Das Foto entstand um das
Jahr 1960.