wirtschaft + weiterbildung
07/08_2015
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Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages
wurde er im Dezember 2011 als Experte zu einer Anhörung
eingeladen. Der TV-Mitschnitt seines Auftritts - insbesondere
die Diskussion mit den Abgeordneten - wurde zum Hit auf der
Videoplattform „Youtube“. In nur wenigen Minuten erklärte
Kruse sehr überzeugend wie das Internet in Kürze zu einer
Umkehrung der Machtverhältnisse führen wird und was die
Politiker und die Medien heute tun müssen, um nicht ohn-
mächtig von der Dynamik der Vernetzung (und dem Protest
der Bütgerinitiativen) überschwemmt zu werden. Diese und
ähnliche Videoaufzeichnungen zeigen, dass Kruse der erste
und lange Zeit wohl auch der einzige war, der theoretisch er-
klären konnte, wie (die bis dahin völlig unbekannten) Auf-
schaukelungseffekte im Internet erklärt werden können.
Spaltung der Gesellschaft aufhalten
Für die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) arbeitete
Kruse zuletzt an einer Studie zum Thema „Gute Führung“.
Bei der Befragung von 400 Führungskräften kam heraus, dass
selbst gestandene Manager zu 77 Prozent der Meinung sind,
dass es in Deutschland einen „grundlegenden Wechsel im Sys-
tem von Führung“ geben müsse. Persönliche Dominanz und
starke Persönlichkeit seien out. Das Führen mit Zielen und
Kennzahlen funktioniere nur noch unzureichend. Die drei zen-
tralen Forderungen der Befragten: Netzwerkorganisation statt
Linienhierarchie, Selbstorganisation statt Steuerung und Ko-
operation statt Wettbewerb. Unternehmen entwickelten sich
besser, so die Führungskräfte, wenn die firmeninterne Koope-
ration gefördert werde statt Abteilungen oder Teams gegenei-
nander auszuspielen.
Die Mitarbeiter von Kruse reagierten bestürzt auf die Todes-
nachricht. Ihr Chef habe noch Großes verwirklichen wollen,
schrieben sie auf der Firmen-Homepage. Zu Kruses Plänen
habe der Aufbau eines eigenen Instituts gezählt, das die kom-
plexen Prozesse der Gesellschaft besser verständlich machen
sollte. Kruse war sehr besorgt, dass eine Spaltung unserer Ge-
sellschaft nicht mehr aufzuhalten sei. Er fürchtete eine Kluft
zwischen Gewinnern und Verlierern des Wandels, der enorme
gesellschaftliche Sprengkraft haben könne. Gespalten sei die
Gesellschaft nicht nur in arm und reich, klug und ungebildet
oder aktiv und passiv. Kruse machte sich vielmehr auch Sor-
gen darüber, dass es zu einem noch tieferen Graben zwischen
Wutbürgern und Politikern kommen werde. Für ihn gab es
allerdings keine „Politik“-Verdrossenheit, sondern „nur“ eine
„Politiker“-Verdrossenheit. Seine Forderung: Bürgerbeteiligung
(via Internet) dürfe kein Placebo sein, sondern die Verbesse-
rungsvorschläge der Bürger müssten gewichtet und die besten
müssten konsequent umgesetzt werden. Wir hätten sicher alle
davon profitiert, wenn Kruse seinen Plan vom eigenen Gesell-
schafts-Institut noch hätte verwirklichen können.
Martin Pichler
Peter Kruse.
Die Aufnahme stammt aus
dem Jahr 2009. Kruse hatte gerade auf
dem Jahrestreffen der DGFP in Wiesbaden
die anwesenden Personalchefs dazu auf-
gerufen, Eigenverantwortung und Neugier
der Mitarbeiter mehr zu fördern.