31
Organisationsstrukturen
Kollegen freigesetzt wurde. Ein Prototyp
zeigte beispielsweise das detailliert aus-
gearbeitete Veranstaltungsgelände eines
Kulturfestivals, dessen Durchführung
sich die Teilnehmer als Maßnahme für
den Kulturwandel im HR-Bereich aus-
gedacht hatten.
Am letzten Tag öffneten wir die Tü-
ren der Querdenkerfabrik für einen
größeren Teilnehmerkreis von 199 Mit-
arbeitern und Führungskräften aus dem
HR-Bereich. Auf dem „Marktplatz der
Ideen“ konnten sich alle vom Erfolg der
HR-Querdenkerfabrik überzeugen. Aus
der Manpower und dem spezifischen Wis-
sen der Teilnehmer sind am Ende viele
Hundert Ideen entstanden, von denen die
besten im abschließenden Ideen-Pitch
detailliert vorgestellt wurden.
Bruch mit bekannten
Arbeitsmustern
Meinen Mitarbeitern und mir ist inner-
halb dieses Experiments klar geworden,
wie befreiend und befriedigend es sein
kann, jenseits bestehender Prozesse und
Strukturen gemeinsam und auf Augen-
höhe an einem Projekt zu arbeiten und wie gewinnbringend
der Bruch mit bekannten Arbeitsweisen und Denkmustern sein
kann – wenngleich er auch herausfordernd und anstrengend ist.
Die im Design Thinking verankerte starke Kundenorientierung
sowie die hierarchiearme und interdisziplinäre Zusammenarbeit
in einem iterativen Prozess haben sich für Volkswagen als echter
Gewinn erwiesen.
Wir haben innerhalb dieser Tage auch festgestellt, dass sich
nicht jede Problemstellung für ein solches Vorgehen eignet.
Beispielsweise ließe sich die Optimierung der IT-Prozesse im
HR-Bereich nur schwer in diesem Setting umsetzen. Hier wäre
eine stärkere Fokussierung auf die Lösungsfindung zielführen-
der. Die Methode funktionierte dagegen immer dann besonders
gut, wenn komplexe Fragestellungen unter Berücksichtigung
vielschichtiger Interessen und Akteure gelöst werden sollten.
Wenn also gefordert war, unterschiedliche Wissensträger zu-
sammenzubringen, um Multiperspektivität zu erreichen. Da-
her werden wir künftig im Vorfeld gut überlegen, wann diese
Methode einzusetzen ist. Auch sollte der Moderationsaufwand
nicht unterschätzt werden – eine professionelle Begleitung ist
unbedingt notwendig.
Kluge Mischung aus Top-down und Bottom-up
Wir sind bei Volkswagen mit der HR-Querdenkerfabrik einen
wichtigen Schritt in Richtung Zukunft gegangen. Unsere Sprints
haben gezeigt, wo die Stellhebel für die Modernisierung liegen
und wie viel kreatives Potenzial bei unseren Mitarbeitern vorhan-
den ist. Sie haben Veränderungsbereitschaft und Projektfähigkeit
bewiesen, die Möglichkeiten zur Partizipation aktiv genutzt und
echten Gestaltungswillen gezeigt.
Künftig sollen neue Beteiligungsformen im HR-Bereich zur
Regel werden. Wir brauchen mehr agile Projekte – jedoch wird
jedes davon seinen Best Way finden müssen. In diesem Sinne
wurde das Agile Center of Excellence gegründet, das zum Ziel
hat, agile Arbeitsweisen und Strukturen im Unternehmen zu
verbreiten. Gleichzeitig braucht es eine kluge Mischung aus
Top-down- und Bottom-up-Prozessen. Daher habe ich nach der
HR-Querdenkerfabrik gemeinsammit dem HR-Leadership-Team
das 100-Tage-Programm initiiert: ein Programm, in das die 14
besten Ideen aus der Querdenkerfabrik eingeflossen sind, um
daraus konkrete Maßnahmen zur Modernisierung der HR-Struk-
turen zu entwickeln. Bereits realisiert wurde beispielsweise die
Verschlankung und Digitalisierung des Beantragungsprozesses
von mobiler Arbeit oder die Einführung eines Chatbots in der
Praktikantenbetreuung.
Nun gilt es, die durch die HR-Querdenkerfabrik freigesetzte
Energie in den weiteren Prozess mit einzubinden und für die
Transformation bei Volkswagen so zu nutzen, dass die Personal-
arbeit auf ein neues Level gehoben wird. Zudem wollen wir die
gezeigte Veränderungsbereitschaft und den Gestaltungswillen
auch in der restlichen Organisation wecken. Wie das Unterneh-
men vor vielen Jahren mit dem „Volkswagen-Weg“ eine Antwort
auf Toyota und andere Konkurrenten aus Fernost fand, müssen
wir nun auf die agile Transformation der Internetkonzerne mit
einem eigenen Verständnis von Agilität antworten. Ich denke,
wir sind da auf einem guten Weg.