personalmagazin 3/2019 - page 29

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Organisationsstrukturen
Im Zuge des Wandels vom klassischen Industrieunterneh-
men zum Digitalunternehmen steht Volkswagen vor einem tief
greifenden Transformationsprozess. Wir brauchen Ideen und
Konzepte für den virtuellen Kunden, für neue digitale Produkte
und für die Ausgestaltung einer zunehmend digitalen Organisa-
tion. In Zeiten wie diesen ist die HR-Funktion gleich mehrfach
gefragt: als Gestalter von Blaupausen für die Transformation, als
Change Manager und Moderator von Kulturkonflikten sowie als
Organisator des operativen Umbaus im Unternehmen. Die Rah-
menbedingungen sind dabei komplex. Wir müssen Bestandsge-
schäft und neue Geschäftsfelder balancieren und orchestrieren.
Gleichzeitig braucht es Sensibilität gegenüber den möglichen
Wechselwirkungen von Digitalisierung und Beschäftigung, aber
auch Offenheit gegenüber neuen Gestaltungsoptionen von Ar-
beit. Und nicht zuletzt benötigen wir Zugang zu neuen Talenten
und Kompetenzfeldern. Inmitten der digitalen Transformation
ändert sich somit auch die Rolle des HR-Bereichs: weg vom Re-
gelhüter mit klassischen Linienfunktionen, hin zu einer agilen
und flexiblen Projektorganisation. Hier ist Change-Kompetenz
gefordert und mehr Zeit, um Teams und Führungskräfte im
Wandel begleiten zu können.
Ein klares Signal für den Aufbruch
Machen wir uns nichts vor: Volkswagen hat erheblichen Moder-
nisierungsbedarf, auch in den HR-Funktionen. In einem Unter-
nehmen, das bereits seit über 80 Jahren besteht und mehr als
650.000 Mitarbeiter beschäftigt, hat sich ein komplexes Geflecht
der Arbeitsteilung und der Regelungen entwickelt. Diese halten
das Unternehmen zusammen, machen es neuen und kreativen
Ideen aber nicht immer leicht. Vor diesem Hintergrund haben
wir im Leadership-Team des HR-Bereichs diskutiert, wie wir der
Notwendigkeit sowie demWunsch nach Veränderung begegnen
und dabei die operative Expertise der Mitarbeiter als Wissens-
schatz nutzen können. In langen Diskussionen, die zum Teil
schon mein Vorgänger Karlheinz Blessing geführt hat und an
denen sich später die Strategieagentur „diffferent“ beteiligte,
wurde deutlich, dass es ein klares Signal für einen kulturellen
und organisationspolitischen Aufbruch braucht.
So kam uns die Idee für die HR-Querdenkerfabrik: 84 Perso-
naler aus der operativen Ebene sollten in einem Design-Thin-
king-Workshop innerhalb von drei Sprints an den strategisch
wichtigsten Fragestellungen des Personalbereichs arbeiten.
Support erhielten sie vom Topmanagement und von Experten.
Zwei Teams sollten sich mit der Transformation der Unter-
nehmens- beziehungsweise Führungskultur auseinandersetzen,
zwei weitere Gruppen sollten die Digitalisierung von Personal-
prozessen vorbereiten. Die fünfte Gruppe erhielt den Auftrag zu
skizzieren, wie die Belegschaft von Volkswagen zukunftsfähig
aufgestellt werden kann und das sechste Team sollte ein neues
Leitbild für die Personalarbeit entwerfen.
Innerhalb weniger Wochen wurde eigens für unser Vorhaben
eine alte Industriehalle zur „Querdenkerfabrik“ umgewandelt.
Und dann ging es los. Am Tag X klärten die Teams zunächst
die ihnen zugedachten Aufträge in separaten Arbeitsräumen.
Kollaboration und Ideengenerierung standen im Vordergrund.
Von Gunnar Kilian
Der Volkswagen-Konzern steckt in einer
Umbauphase, die auch vor Organisationsstruktur
und Arbeitsweisen nicht haltmacht. Gunnar
Kilian, seit einem Jahr Personalvorstand der
Volkswagen AG, will HR rundum modernisieren
und wählte dafür einen agilen Ansatz, den er auf
andere Bereiche übertragen will. Er gibt einen
sehr persönlichen Einblick in das Experiment
„HR-Querdenkerfabrik“.
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