Organisationsstrukturen
Hierarchiestufen gebunden sind und nicht mehr von meinem
Terminkalender abhängen. Wir haben unsere Meeting-Struktur
komplett verändert und statt bilateraler Abstimmungen, von
denen ich viele hatte, machen wir nun mehr Teammeetings
unterschiedlicher Art. Das ist viel effizienter. Wir haben imMee-
ting eine klar durchgetaktete Agenda und treffen gemeinsam vier
oder fünf Entscheidungen. Dafür nutzen wir die Entscheidungs-
prinzipien, damit eben nicht alles ausdiskutiert wird.
War der Change in Communications und HR verschieden?
Wir haben beide Abteilungen parallel transformiert, aber sie
gingen ganz unterschiedlich an die Sache heran. Ein ganz wich-
tiger Erfolgsfaktor ist Vertrauen. Das war in meinem Fall nach
20 Jahren Unternehmenskommunikation natürlich dort am An-
fang stärker da. Wir waren einfach aufeinander eingespielt. Der
Bereich HR wurde hingegen lange anders geführt und ich war
damals erst kurz dabei. Dementsprechend ist die Unternehmens-
kommunikation einfach losgelaufen, hat gemacht und darauf
vertraut, dass das ein guter Weg ist. Der Personalbereich hat sehr
viel mehr und kritischer gefragt. Da kam etwa gleich die Frage,
„Wie sieht meine Funktions- und Stellenbeschreibung zukünftig
aus?“. Beide Bereiche sind heute gleich weit in der Umsetzung
und haben es geschafft, „Tasks and Teams“ zu einem täglichen
Arbeitsinstrument zu machen. Der Personalbereich hat auf dem
Weg gelernt, dass es nicht auf jede Frage eine fertige Antwort
gibt. Teil des agilen Ansatzes ist es, das Kundeninteresse stär-
ker in den Fokus zu rücken – etwa mit Methoden wie Design
Thinking, indem man Prototypen baut und schnelles Feedback
bekommt. Wir müssen weg aus der Rolle des allwissenden Kon-
trolleurs hin zu einem kundenorientierten Berater und Coach.
Welche Vorteile hat es, eine derartige Veränderung mit HR
und Communications zu starten?
Um diese Prinzipien einzuführen, braucht es einen Coach
für die Methodenkompetenz – so wie wir zunächst eine externe
Begleitung hatten. Wir haben ein Toolkit entwickelt, in das die
Erfahrungen der beiden Abteilungen eingeflossen sind, und
gehen damit jetzt in die Phase zwei: Für die Vermittlung von
Methodenkompetenz wollen wir interne Guides ausbilden, die
den Prozess in die Organisation tragen. Wir haben vor Kurzem
angefangen, Kreise mit anderen Abteilungen zu bilden. Der Vor-
standsvorsitzende hat das in einer Führungskräfteveranstaltung
präsentiert. Und wir sind dabei, das Thema international auszu-
rollen. B. Braun ist ja in 64 Ländern vertreten und es gibt viele
Bereiche, die „Tasks and Teams“ konkret ausprobieren wollen.
Hand aufs Herz: Waren Sie einmal an demPunkt, an demSie
lieber aufgehört hätten mit diesem Veränderungsprozess?
Wir haben regelmäßig Stimmungsabfragen gemacht. Das ist
rückblickend eine interessante Dokumentation des Verände-
rungsprozesses. Einen Tiefpunkt hatten wir nach einem halben
Jahr. Wir hatten eine hohe Aufgabendichte, zusätzlich das Ver-
änderungsprojekt und viele unbeantwortete Fragen. Wir haben
lange am Thema Führung herumgearbeitet. Da habe ich gezwei-
felt und auch mit der Beratung gehadert, die agil beraten hat
und mir nicht drei Wochen vor einem Treffen die Agenda zu-
geschickt hat. Aber der Prozess war bewusst so gestaltet. Dabei
haben wir alle gelernt, was agiles Arbeiten bedeutet: die Dinge
mit Zuversicht loslassen und laufen lassen. Das ist eine gute
Zusatzqualifikation für das, was noch kommt.
„Ansätze wie
Holacracy, Design
Thinking und
Scrum sehen
wir nicht als
enge Modelle,
sondern als
Methodenkoffer.“
Begriffsunterscheidung
Konsens:
Die Gruppe findet eine Entscheidung, der alle Mit-
glieder uneingeschränkt zustimmen können. Ein Konsens
kann jedoch oft nur schwer gefunden werden bzw. der Ent-
scheidungsprozess dauert lange. Bei Entscheidungen mit
großer Tragweite ist Konsens anzustreben.
Konsent:
Eine Entscheidung wird vorgeschlagen und der
Einwand der Gruppe abgefragt: „Ich schlage vor, xyz zu
tun, hat jemand schwerwiegende Einwände?“ Es geht nicht
darum, was man selbst gerne hätte, sondern ob man mit
der unterbreiteten Entscheidung leben kann. Wenn es Ein-
wände gibt, muss der Grund dafür bekannt sein, damit der
Entscheidungsvorschlag in einem moderierten Prozess ent-
sprechend angepasst werden kann, bis keine Einwände mehr
bestehen. Dadurch werden Entscheidungen systematisch
getroffen, ohne lange Diskussionen.
Konsultativer Einzelentscheid:
Eine Person/Rolle kann ent-
scheiden, muss aber eine vereinbarte Anzahl Personen konsul-
tieren. Entscheidungen können relativ schnell getroffen wer-
den, der Konsultationsprozess muss aber klar festgelegt sein.
STEFANIE HORNUNG arbeitet als freie Journalistin eng mit der
Personalmagazin-Redaktion zusammen.
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