personalmagazin 3/2019 - page 22

Schwerpunkt
personalmagazin 03.19
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tragen. Sie sind einerseits für das Wohlbefinden des Teams ver-
antwortlich und garantieren auf der anderen Seite den Output.
Sie müssen dafür sorgen, dass der Umgang miteinander freund-
schaftlich ist und dass ein Austausch gegeben ist. Sie sind nicht
dazu da, alle Kleinigkeiten zu entscheiden, sondern können
auch viel Verantwortung ins Team geben. Aber sie setzen die
Meilensteine, sodass klar ist, welche Person was verantwortet.
Nicht alles ist agil wie im Lehrbuch
Agiles Arbeiten ist weiterhin im Trend. In den Tech-Unterneh-
men im Silicon Valley und in San Francisco ist der Scrum-An-
satz stark verbreitet. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die
Herausforderungen agiler Teams nicht immer gut gelöst sind.
Deshalb stellen einige Beteiligte starre Vorgaben infrage: Warum
müssen Sprints immer zwei Wochen dauern? Wenn ein Team
in dieser Zeit kein „Potentially Shippable Product“ entwickeln
kann, verliert es viel Zeit damit, erneut alle begleitenden Themen
wie Review und Sprint Planning durchzuführen, bevor es einen
neuen Sprint starten kann. Auch die Abstimmung zwischen den
Teams wird als Problem erkannt. Zwar gibt es Abstimmungs-
runden, doch da wird viel besprochen, was später operativ nicht
ins Laufen gebracht wird.
Eine weitere Herausforderung ist die selbstorganisierte Ar-
beit: Am Ende muss das, was selbstorganisierte Mitarbeiter und
Teams entwickeln, dem Unternehmen zuträglich sein. Durch die
entwickelten Produkte muss immer wieder der Beweis erbracht
werden, dass diese Organisationsform die richtige ist. Aber laut
meinen Gesprächspartnern gibt es nur selten klare Pläne, wie
zum Beispiel die Produktivität von Softwareentwicklern gemes-
sen wird. Vor diesem Dilemma stehen viele HR-Verantwortliche
in Organisationen mit agilen Teams.
Ziele und Resultate werden genau vorgegeben
Das Organisationsmodell „Objectives and Key Results“ (OKR)
wird in den US-Unternehmen als Top-down-Prozess angesehen.
Die Geschäftsführung gibt die Strategie vor und definiert Hand-
lungsfelder, die entsprechend heruntergebrochen werden. Es ist
Aufgabe der Abteilungsleiter zu sagen, woran die Teams arbeiten
sollen, damit das auf die Unternehmensstrategie einzahlt. Dass
die Abteilungsleiter nur die strategischen Handlungsfelder vor-
geben und jedes Team dann selbst überlegen kann, wie es das
Unternehmen voranbringen kann, kommt sehr selten vor. Das
ist aus meiner Sicht spannend, da ich in Deutschland eine Dis-
kussion erlebe, die in die andere Richtung geht: Hierzulande
wird vielfach überlegt, dass das Management nur noch die
Strategie vorgibt und sich alles dann in den Teams findet. Aus
meiner Sicht entsteht dann das Problem, dass zwar jeder etwas
Lernen in Kalifornien
Das Axel-Springer-Fellowship-Programm ist ein
unternehmensweites Angebot für Mitarbeiter
und Führungskräfte, vier bis maximal zehn Wo-
chen vor Ort in Kalifornien an einem konkreten
Projekt (‚Fellowship on the project’) oder in einer
US-Beteiligung zu arbeiten. Die Idee des Projekts
muss thematisch ins Silicon Valley passen – sie
sollte umsetzbar sein und einen klaren Mehrwert
für den eigenen Bereich und/oder die Axel-Sprin-
ger-Familie bieten. Neben dem projektbezogenen
Fellowship-Programm gibt es außerdem die Mög-
lichkeit, innerhalb des „Fellowship on the job“ in
einer US-Beteiligung zu hospitieren, eigene Exper-
tise einzubringen sowie Business- und Kulturerfah-
rungen zu sammeln.
FELIX BERGHÖFER ist Director Human
Resources bei der Visual Meta GmbH.
Das Unternehmen mit 250 Mitarbeitern
betreibt von Berlin aus das Shoppingpor-
tal Ladenzeile und weitere Portale. Visual
Meta ist Teil der Axel Springer SE.
Das ist der große Unterschied zu deutschen Unternehmen:
Hierzulande versuchen die Unternehmen sehr lange, an Mit-
arbeitern festzuhalten und sie weiterzuentwickeln. In US-Unter-
nehmen wird derjenige, der nicht mitzieht oder hineinpasst,
sehr schnell wieder aussortiert, trotz des Fachkräftemangels.
Dem gegenüber stehen hohe Bemühungen der Arbeitgeber, die
Mitarbeiter zu halten und die hohe Quote der Kündigungen von
Mitarbeitern zu verringern.
Das Comeback der Hierarchien
Entscheidungen in US-Tech-Unternehmen werden stark top-
down durchgesteuert. Vieles wird in der obersten Führungsetage
entschieden und die Aufgabe der mittleren Führungskräfte ist
es, diese an ihre Mitarbeiter weiterzugeben. Zwar hatten einige
Unternehmen in den vergangenen Jahren Führungsebenen
abgebaut, während andere weiterhin klassisch top-down struk-
turiert waren. Aber viele der Unternehmen, die frühere weitere
Führungsschlüssel hatten – etwa 20 Entwickler pro Führungs-
kraft – sind mittlerweile wieder zu den stärker hierarchischen
Strukturen zurückgekehrt. Sie haben erkannt, dass die Führungs-
kräfte eine wichtige Funktion ausüben, indem sie Ansprechpart-
ner sind und mehr Nähe zu ihren Mitarbeitern haben.
Die breiten Führungsspannen brachten Probleme mit sich,
weil in manchen Fällen nicht klar geregelt war, wer welche Ent-
scheidungen trifft. Ein weiteres Problem war die Zunahme von
Kommunikation und Konflikten: Viel mehr musste ausgehandelt
werden, was zuvor über die Hierarchie geklärt wurde. Die Unter-
nehmen erkannten: Flache Hierarchien haben den Nachteil, dass
keiner wirklich verantwortlich ist. Es ist schwierig herauszufin-
den, wer letztendlich dafür verantwortlich ist, wenn Teams ihre
Ziele nicht erreichen. Hierarchie kann deswegen auch Vorteile
haben und schnelle Entscheidungen ermöglichen.
In zahlreichen Gesprächen zeigte sich, dass die Unternehmen
die Verantwortung klar bei den Führungskräften sehen. Das sind
die Personen, die die Verantwortung für die Team-Performance
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