personalmagazin 3/2019 - page 26

In Communications gibt es zum Beispiel den Kreis „Event“, der
die Veranstaltungen eines Jahres konzipiert. Früher war ich bei
vorstandsrelevanten Meetings immer dabei. Jetzt geben der Vor-
standsvorsitzende und ich nur die Richtung vor, und der Kreis
„Events“ kann selbst bestimmen, wie er die definierten Ziele
erfüllt. Das gibt den Mitarbeitern Freiräume, setzt Kreativität
frei und bringt für mich und auch für andere Führungskräfte
mehr Effizienz.
Kamen Mitarbeiter und Führungskräfte von Anfang an gut
mit den Freiräumen zurecht?
Viele Mitarbeiter haben diesen Raum zur Entfaltung gleich er-
kannt und auch genutzt. Aber das bedeutet natürlich auch mehr
Verantwortung. Und da tun sich manche schwerer als andere.
Für die Führungskräfte hat dieser Weg die größte Veränderung
mit sich gebracht. Da hat es schon welche gegeben, die mich
unter vier Augen gefragt haben, „Wozu werden wir in Zukunft
noch gebraucht?“.
Was haben Sie geantwortet?
„Ich weiß, dass ich Sie brauche, aber ich weiß noch nicht ge-
nau wofür.“ Die Führungsrolle wird sich weiter verändern – und
das betrifft mich genauso. Ich kann ja so einen Prozess nicht
starten und sagen, bei mir als Bereichsleiterin bleibt alles beim
Alten. Ich kann mir etwa nicht mehr vorbehalten, dass ich alles
selbst entscheiden möchte. Meine Führungskräfte und ich sind
tapfer den Weg mitgegangen. Und jetzt haben wir einen klar
definierten Rahmen für Führung.
Könnten Sie damal einBeispiel nennen,
was eine Führungskraft jetzt macht?
Eine Führungskraft haben wir sehr
stark als Enabler und Coach definiert.
Führungskräfte sollten Mitarbeiter bei
der Bewältigung ihrer Aufgaben begleiten
– zum Beispiel mit einem Ratschlag, wie
man ein Projekt aufsetzt oder wie man
Dinge in einer Präsentation vermittelt.
Da hat die Führungscrew weiterhin eine
starke Rolle. Die Führungskraft hat auch
noch das letzte Wort, wenn es um die Pri-
orisierung von Projekten geht. Mit „Tasks
and Teams“ leisten wir eine Vorarbeit für
die Koordination. Aber wenn Sie etwa ein
Team haben, das bis über beide Ohren in
Arbeit steckt, kann man nicht noch fünf
andere Projekte draufpacken. Oder es gibt
auch Abstimmungsbedarf, wenn sich je-
mand für ein Projekt meldet, obwohl er
woanders gebraucht wird. So stellt sich
das Thema der Priorisierung weiterhin
und da hat eine Führungskraft eine Art
Schutzfunktion für die Mitarbeiter.
Was passiert, wenn sich niemand für ein Projekt meldet?
Wir haben zum Beispiel einen Fotowettbewerb gemacht und
jetzt müssen Besprechungsformeln mit Bildern ausgestattet wer-
den. Auf das Thema fahren meine Mitarbeiter nicht so ab, aber
es muss gemacht werden. Die Aufgabe habe ich ausgeschrieben.
Wenn sich niemand meldet, muss halt jemand benannt werden.
Und dann kommen doch die Führungskräfte wieder ins Spiel.
Ja, und das war explizit ein Wunsch der Mitarbeiter. Das war für
die Führungskräfte entspannend zu sehen, dass die Mitarbeiter
sich diese Rolle wünschen, sodass sich ihre Existenzangst vom
Anfang teilweise als unbegründet erwies. Als Bereichsleitung
habe ich auch ein Veto, falls völlig abstruse Entscheidungen ge-
troffen werden. Das ist bisher, ich klopfe auf Holz, noch nie ein-
getreten. Das Veto war aber auch keine Idee von mir. Ich bin keine
Verfechterin davon, alles zu definieren, was passieren könnte. Die
meisten Dinge, die wir da beschreiben würden, treffen dann gar
nicht ein. Aber für viele Mitarbeiter war dieses Thema Eskalation
und Veto der Bereichsleitung wichtig.
Wie treffen denn die Mitarbeiter ihre Entscheidungen?
Wir haben verschiedene Entscheidungsprinzipien, zum Bei-
spiel Konsens, Konsent oder konsultativer Einzelentscheid. Bevor
ein Kreis seine Arbeit aufnimmt, wird definiert, welche Entschei-
dungsprinzipien dieser Kreis-Arbeit zugrunde liegen sollen. In der
Praxis ist das aber meistens gar nicht so wichtig. Da kommt das
Team einfach im Konsens zu einer Empfehlung.
Ein Kritikpunkt von New-Work-Skeptikern lautet, dass
diese Entscheidungsprozesse länger dauern würden, weil
viel diskutiert wird. Können Sie das bestätigen?
Am Anfang haben wir länger gebraucht, weil wir uns zusätzlich
zum Tagesgeschäft mit uns selbst beschäftigt haben. Mittler-
weile sind wir schneller, weil Entscheidungen nicht mehr an
Dr. Bernadette Tillmanns-Estorf hat bei der B. Braun
Melsungen AG einen Transformationsprozess hin zu mehr
Selbstorganisation gestartet. Sie leitet seit 20 Jahren die
Unternehmenskommunikation. 2017 kam die Verantwortung
für Corporate HR mit 22 Mitarbeitern hinzu.
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