personalmagazin 9/2017 - page 34

34
MANAGEMENT
_ARBEITSZEITMODELLE
personalmagazin 09/17
J
obsharing – Chaos oder Chan-
ce? Während Arbeitnehmer und
Arbeitnehmerinnen in einer Ar-
beitsplatzteilung eine Chance auf
mehr Flexibilität, Kreativität, Anspruch
und Erfahrungsaustausch erkennen,
befürchten Arbeitgeber zunächst meist
mehr Unübersichtlichkeit und Unsicher-
heit. Tatsächlich gewinnen Arbeitgeber
jedoch an Attraktivität: So können insbe-
sondere Führungskräfte Beruf und Frei-
zeit leichter vereinbaren, wenn sie ihre
Aufgaben mit einem Jobsharing-Partner
teilen.
Das Prinzip des Jobsharing
Zwar gibt es Jobsharing als eine Form
der Teilzeitbeschäftigung im deutsch-
sprachigen Raum bereits seit den
1980er-Jahren, doch noch kennen viele
Vorgesetzte es nicht im eigenen Team.
Sie hegen häufig Vorbehalte, dass ein
Tandem weniger leistungsfähig ist.
Auch besteht traditionell die Meinung,
dass Führung nicht teilbar sei. Zudem
befürchten nicht nur Vorgesetzte, son-
dern auch Kollegen, Teammitglieder,
Kunden und Geschäftspartner, dass
zwei statt einem Ansprechpartner zu
Verwirrung führen – statt einer Chance
wird Chaos gesehen.
Das Prinzip von Jobsharing liegt da-
rin, dass sich zwei Führungskräfte eine
Stelle teilen und im Tandem arbeiten.
Meist liegt der Wunsch zugrunde, sich
in Teilzeit zu engagieren, sei es, um die
Führungsposition mit Familie zu verein-
baren oder auch, um sich ehrenamtlich
Von
Petra Köppel
zu engagieren oder in den Jahren vor der
Rente kürzer zu treten und andere zum
Zuge kommen zu lassen. Die Aufteilung
kann nach Aufgaben, Zuständigkeiten
für Teammitglieder oder Arbeitstagen
erfolgen.
Jobsharing in der Praxis: Vier Vorbilder
In der Praxis entwerfen die Jobsharing-
Partner meist selbst eine für sie pas-
sende Zeit- und Aufgabenteilung, die
sie ihren Vorgesetzten und der Perso-
nalabteilung vorschlagen. Dabei gilt als
wesentlich, dass sie die Vorteile für alle
Beteiligten darstellen: ihre Eigenverant-
wortung, ihre Motivation, ihr Vertrauen
zueinander und die daraus resultierende
Verlässlichkeit auch für das Unterneh-
men – und selbstverständlich die Akku-
mulation verschiedener Qualifikationen.
Vorgesetzte sind letztendlich häufig
überrascht, wie reibungslos Jobsharing
funktioniert. Inzwischen kann man so-
gar beobachten, dass sich Vorgesetzte
gerne mit einem Tandem in ihren Rei-
hen schmücken und sich damit als fort-
schrittliche Führungskraft profilieren.
Vorbilder wie bei Unilever, Lufthansa,
Nestlé und der Versicherungskammer
Bayern helfen sowohl anderen Füh-
rungskräften als auch Arbeitgebern
dabei, Jobsharing kennenzulernen und
eigene Möglichkeiten auszuloten. Vier
Tandems stellen wir im Folgenden vor.
Mutige Pioniere bei Unilever
Sybille Hartmann, Jahrgang 1964, ist ver-
heiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
Nach ihrem Studium der Wirtschafts-
und Sozialwissenschaften übernahm sie
1989 bei Unilever verschiedene Positi-
onen in der Finanzabteilung, der Sup-
ply Chain, in der Pensionskasse und im
Audit. Sie verfügt über zwölf Jahre Job-
sharing-Erfahrung in unterschiedlichen
Funktionen. Seit dem 1. April 2017 ist sie
Financial Controller für DACH in Vollzeit.
Elisabeth Stute, Mutter zweier Tee-
nager, begann nach dem Studium der
Wirtschaftsinformatik ihre Karriere bei
Unilever in Wien. Sie hatte verschiedene
Positionen in den Bereichen Finanzen
und IT im In- und Ausland inne, bevor
sie nach Hamburg wechselte. Nach über
zwölf Jahren im Jobsharing mit Sybil-
le Hartmann ist sie seit April 2017 als
Operations Director in einer 80-Prozent-
Stelle für DACH verantwortlich.
Sybille Hartmann und Elisabeth Stute
lernten sich über Unilever kennen, als
sie zusammen im Bereich Finanzen für
das Eiscremegeschäft tätig waren. Beide
hegten den Wunsch, mehr Zeit für ihre
Kinder zu haben und sich weniger für Be-
ruf und Familie gleichzeitig abstrampeln
zu müssen. Sie schlugen ihrem dama-
ligen Vorgesetzten vor, sich ihre Arbeit
zu teilen, und stießen auf offene Ohren:
Ihr Chef stand dem damals weitgehend
unbekannten Konzept Jobsharing offen
gegenüber. Das Rezept der zweifachen
Mütter war so einfach wie erfolgreich: Sie
überlegten gemeinsam, wie sie ihre Ar-
beit so organisieren, dass die Firma nur
minimale Veränderungen mitbekommt.
Ihre Maxime war, dass weder interne
noch externe Kunden einen Qualitäts-
unterschied bemerken. In ihrer zwölf-
jährigen Jobsharing-Zeit bekleideten
die beiden vier verschiedene Positionen
Im Tandem fährt es sich schneller
PRAXIS.
Jobsharing für Führungskräfte ist noch wenig verbreitet. Vier Beispiele zei-
gen, wie sich dieses Arbeitszeitmodell erfolgreich umsetzen lässt.
1...,24,25,26,27,28,29,30,31,32,33 35,36,37,38,39,40,41,42,43,44,...92
Powered by FlippingBook