personalmagazin 9/2017 - page 31

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an Personen mit überdurchschnittlicher
Intelligenz richten, würde man eine Stu-
dierquote von circa 15 Prozent anstre-
ben. Die Zulassung von immer mehr
Personen bedeutet zwangsläufig, dass
die Intelligenz der Studierenden breiter
streut als es bislang der Fall war. Es gibt
hochintelligente Personen mit Abitur,
(Fach-)Hochschulstudium, MBA, Promo-
tion sowie einem Zertifikat von Y. Und es
gibt (unter-)durchschnittlich intelligente
Personen mit dem gleichen Abschluss
– und den gleichen Noten: Parallel zur
Steigerung der Anzahl an Abiturienten
und Absolventen steigt auch das Noten-
niveau: Nie zuvor gab es so viele Bestno-
ten in Abitur, Studium und Promotion.
„Aber, wenn es ‚gestandene‘ Kandi-
daten sind, die schon in einem anderen
Unternehmen erfolgreich waren, zumin-
dest dann kann man doch davon aus-
gehen, dass …?“ Nein, kann man nicht,
zumindest nicht immer. Wir Menschen
neigen dazu, Ereignisse wie Erfolg und
Misserfolg der Person zuzuschreiben und
die situationalen Faktoren zu vernach-
lässigen. Das ist der sogenannte „funda-
mentale Attributionsfehler“. Zwar trifft
es zu, dass mit zunehmendem Alter und
Erfahrung des Kandidaten biografisch ori-
entierte Methoden wie das Interview an
Aussagekraft gewinnen. Das biografische
Prinzip, die Vergangenheit als Prädiktor
für die Zukunft zu nutzen, stößt aber
grundsätzlich an seine Grenzen, wenn
es um die Prognose der Bewährung in
einer neuen Situation (in einer anderen
Unternehmens- oder Marktsituation, in
einer anderen Führungskultur) geht. Die
Einschätzung „das ist ein guter Kandidat,
sieht man ja am Lebenslauf“ ist häufig
fahrlässig. Sofern man Personalauswahl
betreibt, um Menschen in eine neue Posi-
tion zu bringen, sollte man nicht nur auf
die Erfahrungen der Vergangenheit ach-
ten, sondern auch auf das Potenzial, neue
Situationen zu bewältigen – sprich: auf
die Intelligenz.
Vorurteil fünf:
Interviews sind ausreichend.
Wir kommen nun zu zwei besonders
ernstzunehmenden Argumenten. Das
erste dieser beiden lautet, dass auch
andere Personalauswahlverfahren Hin-
weise auf die Intelligenz liefern. Das
stimmt. Nachweislich korreliert das Ergeb-
nis eines Interviews oder eines Assessment
Centers mit den Ergebnissen im Intelligenz-
test. Anders formuliert: Auch mit anderen
Verfahren kann man Intelligenz erfassen,
nur nicht so gut und nicht so günstig.
Man muss diese anderen Verfahren aller-
dings bewusst auf eine Erfassung der Intelli-
genz ausrichten. Ein gewöhnliches Interview
reicht hier nicht aus. Mit sozialer Kompetenz
kann man auch bei durchschnittlicher in-
tellektueller Begabung im Interview leicht
einen guten Eindruck hinterlassen. Dies
gilt insbesondere, wenn sich das Interview
darauf beschränkt, sich am Lebenslauf ent-
langzuhangeln. In diesem Fall können die
Kandidaten sich in gewohnten Situationen
bewegen. Es gibt aber spezifische Interview­
techniken, die Indikatoren für die Intelli-
genz liefern. Darüber hinaus kann man es
mit „Fact-Finding-Übungen“ und „Fallstu-
dien“ versuchen. Allerdings darf man diese
Übungen dann nicht damit enden lassen,
dass die Kandidaten die Ergebnisse präsen-
tieren. Denn in diesem Fall kann die für die
Präsentationhilfreiche sozialeKompetenz die
mangelhafte Intelligenz überstrahlen. Halten
wir fest: Mit viel Aufwand kann es auch mit
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