personalmagazin 9/2017 - page 28

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MANAGEMENT
_EIGNUNGSDIAGNOSTIK
I
n einem sind sich Personaler ei-
nig: Top-Fach- und Führungskräfte
mithilfe von Intelligenztests aus-
wählen ist ein „No-Go“. Die Argu-
mente für die ablehnende Haltung sind
einerseits inhaltlich disparat. Anderer-
seits haben die Argumente auch etwas
gemeinsam: Sie sind unzutreffend. Wie
lauten die häufigsten Argumente?
• Intelligenz ist (auf dieser Ebene) nicht
(so) wichtig.
• Intelligenztests taugen nichts.
• Intelligenztests differenzieren auf der
Top-Ebene nicht mehr sinnvoll.
• Tests sind unnötig, die Biografie lie-
fert hinreichend Indikatoren für die
Intelligenz.
• Tests sind unnötig, andere Verfahren
wie das Interview sind ausreichend.
• Intelligenztests finden keine Akzep-
tanz.
Gehen wir die Argumente der Reihe
nach durch.
Vorurteil eins:
Intelligenz ist nicht so wichtig.
Das Verhältnis der Deutschen zur In-
telligenz ist gespalten. Einerseits hält
jeder viel auf seine eigene Intelligenz,
andererseits gehört es zum guten Ton,
Intelligenz abzuwerten. Intellektuelle
gelten als verdächtig und werden ge-
danklich im Elfenbeinturm verortet.
Schon Hölderlin klagte über die gedan-
kenreiche Tatenarmut. Analytisches
Denken und Intelligenz sind out, Intuiti-
on und emotionale Intelligenz in. Wenn
Intelligenz überhaupt etwas zählt, dann
Von
Martin Kersting
nicht die Intelligenz des Einzelnen,
sondern die Schwarmintelligenz eines
Teams. Denn die Sache mit der Intelli-
genz des Einzelnen, so ist man gemein-
hin überzeugt, hat einen Pferdefuß: Wer
schlau ist, ist sozial inkompetent. So wie
jeder Mensch, der hübsch ist, dumm
sein muss – denn der liebe Gott oder die
Natur verteilt die Gaben gerecht.
Wer jenseits dieser Mythen nüchtern
über die beruflichen Anforderungen
auf der Top-Ebene nachdenkt, landet
zwangsläufig beim Eignungsmerkmal
der Intelligenz. Intelligenz braucht man
zum Überleben in der „Vuca-Welt“ (Vola-
tility, Uncertainty, Complexity, Ambigui-
ty), die bei Personalern aktuell so gehypt
wird. Bereits vor 30 Jahren formulierte
es Tom Peters so: „Today’s successful
business leaders will be those who are
the most flexible of mind. An ability to
embrace new ideas, routinely challenge
old ones, and live with the paradox will
be the effective leader‘s premier trait.“
Man kann – sehr verkürzt – auf Deutsch
auch formulieren „Gefragt ist die In-
telligenz“: Die Fähigkeit zum schluss-
folgernden Denken, zum Planen, zur
Problemlösung, zum abstrakten Den-
ken, zum Verständnis komplexer Ideen,
zum schnellen Lernen und zum Lernen
aus Erfahrung – so haben über 50 re-
nommierte Forscher vor rund 20 Jahren
Intelligenz definiert. Kein anderes Merk-
mal ist so gut erforscht und theoretisch
erklärt wie die Intelligenz. Sie ist für die
Psychologie, wie es Christopher Brand
von der University of Edinburgh formu-
lierte, so bedeutsam wie der Kohlen-
stoff für die Chemie. Intelligenz ist der
Intelligenz der Manager testen
ÜBERBLICK.
Gerade Top-Führungskräfte sollten sorgfältig ausgewählt werden.
Warum Personaler dabei nicht auf Intelligenztests verzichten sollten.
© DRAFTER123 / ISTOCKPHOTO.COM
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