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TITEL
_LEADERSHIP 4.0
personalmagazin 06/16
fristig nur erfolgreich sein, wenn sie
Geldgeber finden und irgendwann auch
Gewinne machen. Tatsache ist, dass
Daimler in der Historie immer Vorreiter
bei Themen wie Mobilität und Sicher-
heit war. Wir haben das Auto erfunden
und es immer sicherer gemacht. Bei-
spiele dafür sind ABS, ESP oder die Si-
cherheitszelle – diese Systeme wurden
in unseren Fahrzeugen zuerst einge-
setzt und sind später Normen im Auto-
mobilbau geworden.
personalmagazin:
Der ehemalige VW-Perso-
nalvorstand Horst Neumann befürchtet,
dass bei VW die Hälfte der hunderttau-
send Arbeitsplätze in der Produktion
durch die Digitalisierung bedroht ist.
Kommt das auch auf Daimler zu?
Porth:
Das ist mir viel zu negativ. Wir
sehen Digitalisierung als Chance und
nicht als Jobkiller. Es wird sicher zu
einer Verschiebung von Tätigkeitsin-
halten kommen, also weniger Mechanik
und mehr integrierte IT. Wir werden in
einigen Bereichen Arbeitsplätze verlie-
ren, in anderen Feldern aber neue Jobs
dazubekommen. Technologische Wei-
terentwicklungen waren für uns schon
immer Gelegenheiten, die wir nutzen
und nichts, was uns Sorgen macht. Klar
ist: Unsere Fabriken werden auch in
Zukunft nicht menschenleer sein. Der
Mensch wird immer im Mittelpunkt ste-
hen – an seine Flexibilität kommt kei-
ne Maschine heran. Zudem gibt es eine
Vielzahl anderer Themen, die Einfluss
auf die Beschäftigungsentwicklung ha-
ben: Wachstum, neue Märkte, neue Mo-
delle, Effizienzsteigerungen et cetera.
Diversität in der Führungskultur
INTERVIEW.
Über die Auswirkungen der Digitalisierung auf Führungskultur und Be-
schäftigung sprach das Personalmagazin mit Daimler-Arbeitsdirektor Wilfried Porth.
personalmagazin:
Eine persönliche Frage zu
Beginn: Sie gehören nicht zu den bloggen-
den Personalvorständen, Sie sind auch in
den sozialen Netzwerken nicht präsent.
Warum eigentlich nicht?
Wilfried Porth:
Das hat praktische Gründe.
Wenn ich in sozialen Netzen präsent
wäre, könnte ich aus Zeitgründen den
Erwartungen der Menschen, die mit mir
in Kontakt treten wollen, nicht gerecht
werden und müsste es delegieren. Das
möchte ich nicht. Intern nutze ich natür-
lich soziale Medien zur Kommunikation.
personalmagazin:
Welche Formate nutzen
Sie, um intern zu kommunizieren?
Porth:
Wir haben ein Intranet, Blogs und
soziale Netzwerke. Im Personalbereich
nutzen wir eine soziale Plattform, über
die wir miteinander kommunizieren.
Auch für Projekte wie Leadership 2020,
bei denen wir gemeinsam mit Mitarbei-
tern am künftigen Führungsleitbild ar-
beiten, gibt es eine solche Plattformen.
personalmagazin:
Ihre Firma versteht sich
als Vorreiter der Digitalisierung in Ihrer
Branche. Woran machen Sie das fest?
Porth:
Die Digitalisierung spielt in allen
Bereichen unseres Unternehmens eine
große Rolle: Vom Produkt, wenn man auf
das autonome Fahren schaut, bis zum Re-
cruiting. Wir verfügen heute bereits über
Fahrassistenzsysteme, die autonomes
Fahren ermöglichen und im Wettbewerb
einzigartig sind. Denken Sie an die neue
E-Klasse oder die ersten selbstfahrenden
Lkw der Welt mit Straßenzulassung, mit
denen wir in den USA unterwegs sind.
Hier sind wir Benchmark in unserer
Industrie. Auch in der Entwicklung ar-
beiten wir immer stärker mit digitalen
Systemen, also ohne Stahl und Eisen. In
der Produktion haben wir Roboter im Ein-
satz, die Hand in Hand mit den Kollegen
arbeiten. Bei uns gibt es Hackathons, Di-
gital Life Days und WhatsApp-Chats mit
potenziellen Bewerbern. Wir integrieren
digitale Inhalte in die Ausbildung. Diese
Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
personalmagazin:
Die Firmen aus dem Sili-
con Valley wollen nicht nur gute Geschäf-
te machen, sondern die Welt verbessern.
Will Daimler auch die Welt verbessern?
Porth:
Ich glaube nicht, dass man das so
pauschal über das Silicon Valley sagen
kann. Auch dort können Firmen lang-
WILFRIED PORTH
ist Personalvorstand
der Daimler AG und Arbeitsdirektor sowie
verantwortlich für IT & Mercedes-Benz Vans.
© 2016 DAIMLER AG