17
06/16 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
aus dem Haus, tanzten die Mäuse auf
dem Tisch“. Zusätzlich konnte Lewin
noch weitere Nachteile des autoritären
Stils erstmals in ungewohnter Klarheit
herausarbeiten: Wenn Mitarbeiter aus-
schließlich Anordnungen ausführen,
stirbt jede Eigenverantwortung. Ohne
ein Verständnis der „betrieblichen“ Zu-
sammenhänge gibt es keine Mitarbeiter-
motivation. Werden Mitarbeiter in be-
stimmte Entscheidungsprozesse nicht
mit einbezogen, dann werden ihre Er-
fahrungen nicht genutzt und es kommt
zu Fehlentscheidungen ihrer Vorgesetz-
ten. Außerdem überträgt sich der oft ag-
gressive Kommandoton eines autoritä-
ren Vorgesetzten auf die Untergebenen
– was oft sogar zu Aggressionen unter
den Mitarbeitern führt. Namhafte ame-
rikanische Konzerne interessierten sich
schon bald brennend für Lewins Expe-
riment zum Thema „Führungsstil“ und
fingen an, sich für die Motivation ihrer
Mitarbeiter zu interessieren.
Bestätigt wurde Lewin durch die Ar-
beit des MIT-Professors Douglas McGre-
gor („Theorie X und Theorie Y“). Er wies
1960 auf folgenden Missstand hin: Wenn
autoritäre Chefs alle Menschen und folg-
lich auch ihre Mitarbeiter für „von Natur
aus faul“ halten und sie sie deshalb im-
mer nur bevormunden, dann führt dies
zu einer sich selbst erfüllenden Prophe-
zeiung. Wem nichts zugetraut wird, der
zeigt bald tatsächlich ein rein passives
Arbeitsverhalten. McGregor wandte
sich mit Nachdruck gegen das damals
vorherrschende tayloristische Gedan-
kengut und plädierte dafür, dass Chefs
besser davon ausgehen sollten, dass sich
der Mensch durch Arbeit, Eigeninitiati-
ve und Kreativität selbst verwirklichen
wolle. Durch einen kooperativen Füh-
rungsstil könnten die Mitarbeiter dazu
gebracht werden, über sich hinauszu-
wachsen. McGregor empfahl dringend,
die Mitarbeiter bei der Zielfindung und
bei Entscheidungen mitreden zu lassen
und Verantwortung zu delegieren. Mit
seinen Ansichten legte McGregor übri-
gens die Basis für alle, die sich später
für humanistische Arbeitsbedingungen
einsetzten und Personal- und Organisa-
tionsentwicklung betrieben.
Praktiker lieben das „situative Führen“
Bald dämmerte es Wissenschaftlern wie
Praktikern, dass die drei idealtypischen
Führungsstile von Lewin in der Reali-
tät nur selten in Reinform anzutreffen
sind. Zusätzlich kam die Forderung auf,
neben dem Verhalten des Vorgesetzten
auch noch die „Bedingungen vor Ort“,
unter denen geführt werden muss, zu
berücksichtigen. Im Jahr 1977 veröffent-
lichten Paul Hersey und Ken Blanchard
das Buch „Management of Organizati-
onal Behavior“, das für lange Zeit die
Führungsstil-Bibel sein sollte. Das zen-
trale Evangelium lautet: Zuerst werden
die Mitarbeiter danach beurteilt, welche
fachliche Reife und welche Motivati-
on sie haben, und erst dann wählt der
Vorgesetzte einen passenden Führungs-
stil. Das Ganze nennt sich „situatives
Führen“. Dieser Ansatz lässt sich auf
vier wesentliche Führungsstil-Empfeh
lungen für Vorgesetzte reduzieren:
2010
Mitarbeiter und Teams rücken in den Fokus.
Leadership-Professorin Barbara Kellerman
spricht statt von Mitarbeitern von „Followern“,
die sich führen lassen wollen. Manche Leader-
ship-Forscher (wie der Psychologe David Kan-
tor) plädieren sogar dafür, Vorstandsvorsitzende
durch ein Team gleichberechtigter, möglichst
unterschiedlicher Topmanager zu ersetzen
2010er
Der Psychologe Kurt Lewin
forschte zu demokratisch,
autoritär und freiheitlich
geführten Teams.
© ZEICHNUNG: KARINA ANTONS BONN