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06/16 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Das Interview führte
Reiner Straub.
personalmagazin:
Mit der Digitalisierung
kommen neue Führungsmodelle. Die
Führung bei Daimler ist geprägt von
Männern, die klassische Rollenvorstel-
lungen haben und stolz sind, bei Daimler
zu schaffen. Befürchten Ihre Führungs-
kräfte einen Statusverlust, wenn jetzt
über Selbstorganisation und Agilität
diskutiert wird?
Porth:
Ich weiß nicht, wo Sie dieses Bild
von Daimler herhaben, aber es ist aus
meiner Sicht komplett falsch. Wir sind
ein vielfältiger, dynamischer, moder-
ner und internationaler Konzern. Sonst
könnten wir gar nicht weltweit erfolg-
reich sein. Wir haben mit einem Anteil
von über 15 Prozent mehr Frauen in
Führungspositionen als die allermeis-
ten Technikunternehmen. Unser selbst-
gestecktes Ziel ist es, bis 2020 bei 20
Prozent Frauenanteil in Führungspo-
sitionen zu sein. Zusätzlich sind viele
unserer Managementpositionen inter-
national besetzt.
Und auch beim Thema moderne Füh-
rungskultur kann ich Ihre Frage nicht
nachvollziehen. Wir haben sehr viel posi-
tive Energie im ganzen Unternehmen. Bei
Leadership 2020 arbeiten Kolleginnen
und Kollegen aus allen Hierarchieebe-
nen, unterschiedlichen Altersgruppen,
Nationalitäten und Kulturen an einem
neuen Führungsleitbild zusammen. Wir
hatten unglaublich viele interne Bewer-
bungen, die sich daran beteiligen wollen.
Die Mitarbeiter und Führungskräfte wol-
len anpacken, etwas bewegen und verän-
dern. Auch der Betriebsrat ist dabei und
bringt tolle Ideen ein.
personalmagazin:
Welche Ideen aus der
Debatte über New Work sind für Sie
vorstellbar? Könnten Sie sich vorstellen,
Führungskräfte auf Zeit zu berufen?
Porth:
Das ist etwas, was wir schon viele
Jahre praktizieren. Wir ernennen Füh-
rungskräfte auf eine Position für bis zu
fünf Jahre. Im Ausland wird das sehr
konsequent gemacht, weil wir dann
ganz bewusst eine Veränderung haben
wollen. Das ist für mich etwas, was man
sicher noch weiterentwickeln kann, bei
uns aber nichts komplett Neues ist.
personalmagazin:
Wahl von Führungskräf-
ten durch die Mitarbeiter?
Porth:
Was ich mir gut vorstellen kann,
ist ein System nach dem Muster des
360-Grad-Feedbacks. Die Personalent-
wicklung einer Führungskraft wird
dabei an die Rückmeldung von unter-
schiedlichen Seiten gekoppelt, auch die
der unterstellten Mitarbeiter. Eine Wahl
von Führungskräften wird bei einigen
kleineren Unternehmen praktiziert, das
ist mir bekannt, aber für einen Groß-
betrieb wie Daimler halte ich das für
schwer umsetzbar.
personalmagazin:
Abschaffung von Top-
down-Beurteilungen?
Porth:
Ich würde nicht von Abschaffung
von Top-down-Beurteilungen reden, son-
dern von einem 360-Grad-Assessment,
sodass in die Beurteilung alle Blickwinkel
gleichermaßen einfließen. In Ansätzen
praktizieren wir das schon heute.
personalmagazin:
Verteilung des Bonus
nach dem Urteil der Mitarbeiter?
Porth:
Das hängt sehr stark davon ab, wie
das ausgestaltet wird. Ich bin gespannt,
welche Vorschläge hier eventuell aus un-
serem Projekt Leadership 2020 kommen.
personalmagazin:
Erfordert die Digitalisie-
rung einen neuen Typ an Führungskraft?
Porth:
Da gibt es keine allgemeingültige
Antwort. Je nach Geschäftsfeld wird das
unterschiedlich sein. Bei moovel, myTaxi
oder car2go haben wir in unserem Kon-
zern Bereiche mit hohen Innovations-
geschwindigkeiten. Wir brauchen hier
Führungskräfte, die Innovationen för-
dern und ihren Teams große Freiräume
ermöglichen. Wenn wir aber die nächste
Mercedes-Benz S-Klasse entwickeln, kön-
nen wir das natürlich nicht in Trial-and-
Error-Verfahren machen, sondern über
sehr solide Prozesse. Die Führungskräfte
müssen das dann eher im klassischen
Sinne steuern.
personalmagazin:
Geht das, dass ein Kon-
zern ganz unterschiedliche Führungskul-
turen unter einem Dach pflegt?
Porth:
Ja. Unser Leitbild wird sich dahin
entwickeln, dass sich Diversität auch
in den Führungskulturen widerspie-
gelt. Wenn wir ehrlich sind, haben wir
das schon heute: Im Vertrieb finden Sie
eine andere Kultur als in der Produktion
oder in der Entwicklung. Das hat mit der
Funktion zu tun und mit den Menschen,
die sich diesen Funktionen näher fühlen
und für diese qualifiziert sind.
personalmagazin:
Die Silicon Valley Firmen
haben ein ähnliches Problem wie die
deutsche Automobilindustrie: einen
geringen Frauenanteil. Sie haben erklärt,
dass Sie den Frauenanteil im Manage-
ment jedes Jahr um einen Prozentpunkt
auf 20 Prozent in 2020 steigern wollen.
Ist das nicht wenig ehrgeizig?
Porth:
Nein, ist es nicht. Unser selbst-
gestecktes Ziel bringt mehr Frauen in
Führungsverantwortung als das Gesetz
zur gleichberechtigten Teilhabe an Füh-
rungspositionen, das sich de facto auf
den Aufsichtsrat bezieht. Das betrifft
in Deutschland einige Dutzend Frauen.
Unser eigenes Ziel mit einer Steigerung
von einem Prozentpunkt pro Jahr in Füh-
rungsfunktionen bedeutet, dass wir je-
des Jahr allein in Deutschland über hun-
dert Frauen neu in Verantwortung und
in Führungspositionen bringen. Und das
machen wir bereits seit 2006. Wir haben
eine Beförderungsquote von über 30 Pro-
zent. Wir besetzen also jede dritte Stelle
auf der jeweils nächsten Führungsebene
mit einer Frau und das in einer technisch
geprägten Industrie.
„Die Wahl von Füh-
rungskräften, die bei
einigen kleineren Be-
trieben praktiziert wird,
halte ich für einen Groß-
betrieb wie Daimler für
schwer umsetzbar.“