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PERSONALquarterly 03/19
SCHWERPUNKT
_KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IN HR
liche Entscheider. Nur beim Aspekt, inwieweit die Entschei-
dung ethischen und moralischen Standards entspricht, gibt es
keine signifikanten Unterschiede zwischen maschineller und
menschlicher Entscheidung. In Summe legen die Ergebnisse
nahe, dass menschliche einerseits oder maschinelle Entschei-
dungen andererseits nicht durchweg als fairer wahrgenommen
werden, sondern dass es Unterschiede zwischen den einzelnen
Facetten wahrgenommener Prozessgerechtigkeit gibt.
Neben der generellen wahrgenommenen Fairness haben wir
auch den Einfluss von maschinellen und menschlichen Ent-
scheidern auf die wahrgenommene Fairness von Personalaus-
wahlprozessen in zwei Experimenten untersucht. Es handelt
sich um Beispiele, die realitätsnah sind und bei denen bereits
heute Algorithmen und KI für die Entscheidung eingesetzt wer-
den. Das erste ist im Kontext des Screenings von Bewerbungs-
unterlagen und der damit zusammenhängenden Entscheidung,
eine Auswahl an Kandidaten zum Bewerbungsgespräch ein-
zuladen, angesiedelt. Im zweiten Experiment handelt es sich
um das Auswerten von psychometrischen Onlinetests und di-
gitalen Interviews, bei denen Kandidaten ihre Antworten auf
Video aufnehmen. Diese Variante der Personalauswahl kann
in unserem Experiment entweder durch menschliche Experten
(z. B. HR-Experten oder Führungskräfte) ausge- und bewertet
werden oder aber über Algorithmen und KI. Dabei stellt sich
die Frage, wie der Einsatz Letzterer sich auf die wahrgenom-
mene Fairness der Entscheidung und die Attraktivität des Un-
ternehmens auswirkt.
Zwei Experimente
165 Teilnehmer werden zufällig einem von zwei Szenarien zu-
gelost. Im ersten wird die Auswahlentscheidung, wer auf Ba-
sis seiner Bewerbungsunterlagen eingeladen wird, von einem
Menschen getroffen, im zweiten von einem Algorithmus. An-
schließend bewerten alle Teilnehmer den Auswahlprozess des
Unternehmens und beantworten anhand von Skalen von Bauer
et al. (2001), inwieweit sie diesen als konsistent und persönlich
wahrnehmen und das Gefühl haben, sich bei einem solchen
Auswahlverfahren beweisen zu können. Zudem bewerteten sie
anhand einer Skala von Highhouse et al. (2003), inwieweit
sie das Unternehmen als attraktiv wahrnehmen. Mit T-Tests
wird überprüft, ob es signifikante Unterschiede zwischen den
beiden Szenarien gab. Die Ergebnisse in Abbildung 6 zeigen,
dass der Auswahlprozess durch einen Algorithmus als kon-
sistenter, aber als weniger persönlich wahrgenommen wird;
die Teilnehmer nehmen eine signifikant geringere Möglichkeit
wahr, sich beweisen zu können. Zudem wird das Unternehmen
als signifikant weniger attraktiv wahrgenommen
Im zweiten Szenario setzt ein Unternehmen ein digitales
Interview ein, um zu bestimmen, welche Kandidaten einge-
laden werden. Ein Teil der Teilnehmer erfährt dabei, dass die
digital aufgezeichneten Antworten der Kandidaten durch ei-
nen Menschen bewertet werden, der andere, dass diese durch
einen Algorithmus bewertet werden. Auch hierbei wird die
Bewertung durch einen Algorithmus als weniger persönlich
wahrgenommen und die Teilnehmer nehmen eine signifikant
größere Möglichkeit wahr, sich vor dem potenziellen Arbeitge-
ber zu beweisen. Im Ergebnis nehmen sie das Unternehmen als
signifikant attraktiver wahr, wenn ein Mensch die Auswertung
vornimmt und entscheidet (vgl. Abb. 7). Anders als beim ersten
Experiment gibt es beim digitalen Interview keinen signifi-
kanten Unterschied in der wahrgenommenen Konsistenz des
5
4
3
2
1
Konsistenz des
Auswahl-
prozesses*
persönlicher
Auswahl-
prozess*
Möglichkeit, sich
zu beweisen*
Unternehmens-
attraktivität*
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 6:
Wahrnehmung der Gerechtigkeit des
Auswahlprozesses und der Unterneh-
mensattraktivität
3,36
3,18
2,73
3,48
4,36
2,47
2,17
3,21
Mensch (Mittelwert)
Algorithmus (Mittelwert)
Bemerkung: n = 165; * signalisiert einen signifikanten Mittelwertsun-
terschied zwischen dem Algorithmus und dem HR-Experten; Skalen
von Bauer et al. (2003) und Highhouse et al. (2003)
5
4
3
2
1
Konsistenz des
Auswahl-
prozesses*
persönlicher
Auswahl-
prozess*
Möglichkeit, sich
zu beweisen*
Unternehmens-
attraktivität*
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 7:
Mittelwerte bezüglich der Wahr-
nehmung des Auswahlprozesses und
Unternehmensattraktivität
4,44
3,49
2,93
3,70
4,51
2,94
2,73
3,23
Mensch (Mittelwert)
Algorithmus (Mittelwert)
Bemerkung: n = 255; * signalisiert einen signifikanten Mittelwertsun-
terschied zwischen dem Algorithmus und dem HR-Experten; Skalen
von Bauer et al. (2003) und Highhouse et al. (2003)
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