PERSONALquarterly 3/2019 - page 14

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PERSONALquarterly 03/19
SCHWERPUNKT
_KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IN HR
Hier ist vor allem wichtig, maschinenlesbare Daten in ausrei-
chender Menge aufzubauen, um die beschriebenen Systeme
und die zugrunde liegenden Algorithmen entwickeln, trainie-
ren und anwenden zu können. Dies ist eine Hürde und hier
besteht erheblicher Handlungsbedarf. Zwar sieht die Mehr-
heit der Top-1.000-Unternehmen eine sehr große Relevanz in
der Messung des Erfolgs von Rekrutierungsprozessen und
geht davon aus, nur mit entsprechenden Kennzahlen besse-
re Entscheidungen treffen zu können. Doch die Realität des
datengetriebenen Recruitings ist zurückhaltend, und wenige
Unternehmen haben Maßnahmen implementiert, um Daten
zu erheben und auszuwerten, die die Effektivität der Personal-
gewinnung messen und Analysen ermöglichen (vgl. Weinert/
Maier/Laumer/Weitzel, 2015). Idealerweise könnte ein Unter-
nehmen in diesem Zusammenhang aus eigenen historischen
Daten zu Arbeitsleistung und -zufriedenheit identifizieren,
welche Eigenschaften besonders gute, effektive und zufriedene
Mitarbeiter auf bestimmten Stellen auszeichnen und welche At-
tribute mit weniger Leistung und Zufriedenheit einhergehen.
Damit wird einerseits ein sinnvolles „Matching“ von Kandi-
datenprofil und Stellenanforderung erst möglich. Andererseits
lassen sich so im Rahmen eines systematischen Lernens zu-
künftige Ausschreibungen und Suchkriterien verfeinern und
für alle Beteiligten unerwünschte Fehlbesetzungen vermeiden.
Der Einsatz derartiger Algorithmen ist jedoch nicht nur ei-
ne technische, sondern auch eine ethische Herausforderung.
Die Zusammenhänge, die durch Datenauswertungen gefunden
werden, müssen erklärbar bleiben. Hierzu ist es wichtig, dass
Filterblasen vermieden werden. Dies ist auch getrieben von
der Befürchtung eines „move to the middle“, wenn prädiktive
Modelle, die dazu neigen, „eine Art Durchschnitt zu entwickeln
und nach Normalität zu streben“, zu sehr Außergewöhnliches
nicht goutieren und nicht mehr realisieren. Dabei ist auch
wichtig zu beachten, dass die Hypothese, eine Maschine diskri-
miniere nicht, nicht automatisch stimmt, wenn die Maschine
von Menschen und dem Beobachten einer menschengestal-
teten Welt lernt, die gerade als unfair gilt. Wenn Einstellungen
und Werte der Menschen in der Maschine reproduziert werden
und der Mensch diskriminiert, diskriminiert auch die Maschi-
ne. Recruiter haben ihre eigenen Entscheidungsmodelle und
reproduzieren so ihre Entscheidungen bei unterschiedlichen
Stellenbesetzungen. Wenn diese Einstellung eins zu eins in die
Maschine übernommen wird, werden nur die alten Entschei-
dungsmuster digitalisiert. Es ist allerdings deutlich einfacher,
etwa durch Simulationsläufe den Bias einer Maschine als eines
Menschen statistisch zu erfassen und gegenzusteuern als bei
Menschen. Hier liegt somit ein weiteres Potenzial von digitalen
Ansätzen im Recruiting.
Abb. 4:
Digitale Auswahlsysteme
Unternehmen sind der Meinung, dass Systeme zur automatisierten
Vorauswahl von Bewerbungen ...
... die Bewerberauswahl beschleunigen.
... eine diskriminierungsfreie
Bewerbervorauswahl fördern.
... die Bewerbervorauswahl vereinfachen.
56,3%
71,9%
66,7%
Kandidaten denken, dass durch digitale Auswahlsysteme ...
... schneller ein Feedback von Unternehmen
kommt.
... die Rekrutierung diskriminierungsfreier
wird.
... sich die eigenen Chancen im
Bewerbungsprozess erhöhen.
28,0%
51,0%
44,0%
Quelle: Eigene Darstellung
Nutzung von digitalen Auswahlsystemen durch Unternehmen
ja
5,8%
geplant
13,0%
unbekannt
1,5%
nein
79,7%
1...,4,5,6,7,8,9,10,11,12,13 15,16,17,18,19,20,21,22,23,24,...60
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