PERSONALquarterly 3/2019 - page 17

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03/19 PERSONALquarterly
ABSTRACT
Forschungsfrage:
Inwieweit präferieren Bewerber und Mitarbeiter Algorithmen, HR-Experten
oder Vorgesetzte als Entscheider? Welche Gründe vermuten Mitarbeiter hinter dem Einsatz
maschineller Entscheidungen und als wie fair werden sie im Vergleich wahrgenommen?
Methodik:
Vorstellung der Ergebnisse einer Fragebogenstudie und zweier Experimente
Praktische Implikationen:
Mitarbeiter und Bewerber präferieren meist menschliche
Entscheider. Als Grund für den Einsatz maschineller Entscheider wird z. B. eher
Kostenreduktion als bessere Entscheidungsqualität vermutet. Zudem werden maschinelle
Entscheidungen nicht unbedingt als fairer wahrgenommen. Unternehmen sollten beim
Einsatz von Algorithmen und KI die Wirkung auf Bewerber und Mitarbeiter berücksichtigen
und abwägen, ob der Einsatz maschineller Entscheider wirklich mehrwertbringend ist.
menen Möglichkeiten sich auszudrücken und zu beweisen?
Werden maschinelle Entscheider als unvoreingenommener
wahrgenommen als ihr menschliches Gegenstück? Dies führt
zur dritten übergeordneten Forschungsfrage: Wie wirken sich
Entscheidungen von Algorithmen anstelle von Menschen auf
die wahrgenommene Gerechtigkeit des Personalauswahlpro-
zesses aus?
Studiendesign
Zur Beantwortung der ersten beiden Fragen haben wir eine
Fragebogenstudie über Amazon Mechanical Turk (MTurk)
durchgeführt, in welcher insgesamt 325 vorwiegend in den
USA tätige Arbeitnehmer zu ihren Einstellungen gegenüber
maschinellen und menschlichen Entscheidern im Personal-
bereich befragt wurden. Die dritte Forschungsfrage haben
wir zusätzlich mithilfe zweier Experimente beantwortet. Das
erste wurde mit 165 deutschen Arbeitnehmern, das zweite
über Amazon MTurk mit 255 amerikanischen Arbeitnehmern
durchgeführt. Die Ergebnisse dieser drei Studien werden nun
in der Reihenfolge der Forschungsfragen vorgestellt.
Frage 1: Welche Präferenzen haben Mitarbeiter bezüglich
maschineller und menschlicher Entscheidungen?
Den Teilnehmern der Studie wurden verschiedene Personal-
entscheidungen eines typischen „Employee Life Cycles“ prä-
sentiert. Für jede der Entscheidungen sollten die Teilnehmer
angeben, in welchem Umfang eine bestimmte Personalent-
scheidung auf einem Algorithmus, einem HR-Experten oder
dem (potenziellen) Vorgesetzten basieren sollte.
Die Ergebnisse in Abbildung 1 zeigen, dass die Teilnehmer
bei allen Entscheidungen im Bereich der Personalbeschaffung
und -auswahl menschliche Entscheider präferieren. Weiterhin
zeigt sich, dass sich die Teilnehmer tendenziell eher einen
stärkeren Einfluss des potenziellen Vorgesetzten wünschen
als von HR-Experten. Am kleinsten war der Mittelwertunter-
schied zwischen Mensch und Algorithmus für die Auswertung
von Online-Persönlichkeitstests, während der Unterschied bei
Entscheidungen nach persönlichen Interviews und der fina-
len Selektionsentscheidung besonders deutlich war. Erklären
lässt sich dies beim standardisierten Persönlichkeitstest damit,
lichen Entscheider größer sein könnte. Wann also bevorzugen
Mitarbeiter Algorithmen und wann menschliche Entscheider
(HR-Experten oder Vorgesetzte) für Entscheidungen entlang
des Employee Life Cycles?
Für Unternehmen gibt es unterschiedliche Gründe, ma-
schinelle Entscheider im Personalmanagement einzusetzen.
Unabhängig davon sollten sich Unternehmen auch mit deren
Wahrnehmung durch ihre Stakeholder, z. B. Bewerber und Mit-
arbeiter, auseinandersetzen. Menschen nehmen die Realität
aufgrund ihrer Erfahrungen und der jeweils vorliegenden In-
formationen unterschiedlich wahr (Fiske/Taylor, 1991). Auf das
Personalmanagement bezogen bedeutet dies, dass Mitarbeiter
den Einsatz bestimmter HR-Praktiken, und hier im speziellen
den Einsatz von KI, unterschiedlich interpretieren können
(Nishii et al., 2008). So getroffene Schlussfolgerungen beein-
flussen wiederum ihre Einstellungen gegenüber dem Unter-
nehmen und ihr Verhalten (Nishii et al., 2018). Bspw. könnten
beim Einsatz von Screening-Algorithmen manche Bewerber
attribuieren, dass eine Organisation diese einsetzt, um Kosten
zu sparen, was eher zu einer negativen Einstellung führen
könnte. Andere Bewerber könnten es so interpretieren, dass
die Organisation den Auswahlprozess fairer und unvoreinge-
nommener gestalten möchte, was wiederum eher zu einer po-
sitiven Einstellung gegenüber dem Auswahlverfahren und der
Organisation führen könnte. Es stellt sich demnach die Frage,
welche Motive Mitarbeiter vermuten, wenn Unternehmen Al-
gorithmen im Kontext mitarbeiterbezogener Fragen einsetzen.
Die wahrgenommene Fairness spielt eine wichtige Rolle im
Kontext von Personalentscheidungen. Forschungsergebnisse
haben bspw. gezeigt, dass die wahrgenommene Fairness (engl.
procedural fairness) von Personalauswahlprozessen die At-
traktivität des Unternehmens erhöht und sich Mitarbeiter eher
für ein als fair wahrgenommenes Unternehmen entscheiden
(Chapman et al., 2005; Hausknecht et al., 2004). Über die wahr-
genommene Fairness von maschinellen und menschlichen Ent-
scheidungen ist hingegen erst wenig bekannt. Es stellt sich also
die Frage, ob der Einsatz maschineller anstelle menschlicher
Entscheider die wahrgenommene Fairness beeinflusst. Stei-
gern maschinelle Entscheider vielleicht die wahrgenommene
Konsistenz, reduzieren aber die von Bewerbern wahrgenom-
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