PERSONALquarterly 3/2019 - page 10

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PERSONALquarterly 03/19
SCHWERPUNKT
_KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IN HR
D
as Standardrepertoire der Unternehmen für die Ge-
winnung von neuen Mitarbeitern sah in den letzten
Jahren vor, Stellenanzeigen zu veröffentlichen und
dann zu warten, dass sich geeignete Kandidaten be-
werben („Post and Pray“ im Recruiting, vgl. Abb. 1). Gleichzei-
tig suchten sie aktiv nach geeigneten Kandidaten (Sourcing,
vgl. Abb. 1), um die immer häufiger offenbleibenden Vakanzen
zu füllen. Die Digitalisierung bietet nun Chancen, durch da-
tengetriebenes Recruiting und Prozessautomation völlig neue
Wege zu gehen. Und die meisten Recruiter erwarten hierdurch
nicht nur eine grundlegende Änderung der Personalbeschaf-
fung, sondern sind sogar ungewöhnlich offen für diese Ände-
rungen. So zeigt unsere repräsentative Befragung der 1.000
größten deutschen Unternehmen und der 300 größten IT-
Unternehmen zusammen mit den Antworten von über 3.300
Kandidaten (vgl. Weitzel et al., 2018; zur Datengrundlage siehe
S. 15), dass die Mehrheit der deutschen Recruiter damit rech-
net, dass sich die tägliche Arbeit durch die Digitalisierung ver-
ändern wird und sie in Zukunft durch intelligente Maschinen
unterstützt werden. Dies ist nach Meinung von drei Viertel der
Top-1.000-Unternehmen und 80 % der IT-Unternehmen auch
gut, da hierdurch Effektivitäts- und Effizienzvorteile realisiert
werden können.
Zukünftiges Recruitment wird auf zusätzliche Arten der
Interaktion zwischen Unternehmen und Kandidaten und da-
tengetriebene Prozesse zurückgreifen können, die potenzielle
Vorteile für beide Seiten bieten. Im Rahmen der Digitalisie-
rung des Recruitings sind dabei automatisierte Dialog-, Emp-
fehlungs- und Auswahlsysteme die wichtigsten Elemente, die
nachfolgend ausführlich beschrieben werden.
Traditionell informieren sich Kandidaten über Karrieremög-
lichkeiten, indem sie Unternehmenswebseiten durchsuchen
oder in anderen Kanälen nach Stellenanzeigen suchen. Schon
heute entstehen jedoch neue Systeme wie bspw. digitale Karri-
ereberater oder automatisierte Dialogsysteme, die Kandidaten
automatisiert Fragen zur Karriere beantworten können. Mithil-
fe dieser Systeme können sich Kandidaten über offene Stellen
oder allgemeine Fragen informieren, ohne mit einemMitarbei-
ter des Unternehmens sprechen zu müssen. Diesen Systemen
liegt idealerweise eine große Wissensbasis (z. B. Informationen
Robo-Recruiting: Status quo und Herausforde-
rungen für die KI in der Personalgewinnung
Von
Prof. Dr. Sven Laumer
(Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg),
Prof. Dr. Tim Weitzel
(Otto-Friedrich-Universität Bamberg)
und
Dr. Katrin Luzar
(Monster Worldwide Deutschland GmbH)
in einer Lebenslaufdatenbank) zugrunde. Beispiele für digitale
Berater (sog. Bots), mit denen wir bereits heute in anderen
Kontexten kommunizieren, sind Siri, OK Google und Cortana.
Zudem wird sich durch Empfehlungssysteme ändern, wie
Kandidaten nach Stellen und wie Unternehmen nach Kandi-
daten suchen. Job-Recommender-Systeme können aufgrund
des Profils eines Kandidaten automatisiert passende Stel-
lenangebote vorschlagen (z. B. ein Suchagent einer Internet-
Stellenbörse, der wöchentlich Jobempfehlungen per E-Mail
sendet). Die aktive Suche der Unternehmen nach geeigneten
Kandidaten kann durch Talent-Recommender-Systeme (teil-)
automatisiert werden. Diese schlagen dem Recruiter analog
passende Kandidaten für eine Vakanz durch Vergleich zwi-
schen Kandidatenprofil und Stellenanforderung vor.
Auch die im Rekrutierungsprozess dann folgende Voraus-
wahl der Bewerbungen im Unternehmen kann im Rahmen
einer Digitalisierung der Rekrutierungsprozesse (teil-)auto-
matisiert werden. Dabei werden eintreffende Bewerbungen
automatisch dahingehend überprüft, ob die Bewerber auf die
Stellenanforderungen passen. Digitale Auswahlsysteme kön-
nen auf Basis der vom Bewerber zur Verfügung gestellten
Informationen (z. B. Anschreiben, Lebenslauf) und von Stel-
lenanforderungen passende Bewerbungen aus der Vielzahl
eingehender Bewerbungen vorauswählen und dem Recruiter
zur weiteren Bearbeitung vorschlagen. Auswahlkriterien kön-
nen dabei sowohl harte Fakten als auch latente Aspekte sein
(Malinowski et al., 2006). Frühe Anwendungen automatisierter
Auswahlsysteme zeigen, dass diese ganz ähnlich auch intern
im Rahmen eines Team Staffing gut eingesetzt werden können,
indem Fähigkeiten und Anforderungen von Teams und Indivi-
duen gematcht werden (Malinowski et al., 2008).
Abbildung 1 zeigt diese Veränderungen der Rekrutierung.
Kandidaten und Unternehmen müssen weiterhin Informati-
onen über sich und die jeweiligen Kandidaten- oder Stellen-
profile veröffentlichen, aber weniger selbst nach entweder
Stellen oder Kandidaten suchen, da durch ein automatisiertes
Matching von Stellenanzeigen und -anforderungen mit Kan-
didatenprofilen sowohl automatisiert Empfehlungen an Kan-
didaten als auch an Unternehmen gegeben werden können.
Somit kann die jeweilige Suche der Kandidaten oder Unterneh-
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