PERSONALquarterly 3/2019 - page 18

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PERSONALquarterly 03/19
SCHWERPUNKT
_KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IN HR
dass die automatisierte Auswertung solcher Tests schon längst
in der Praxis angekommen ist und solche Tests sehr gut au-
tomatisiert ausgewertet werden können (Buchanan/Johnson/
Goldberg, 2005), während bei den anderen Entscheidungsbe-
reichen mehr situatives Denken gefordert ist.
Bei allen Entscheidungen im Bereich Performance Manage-
ment und Vergütung, abgesehen von der Entscheidung über
das Gehaltspaket, bevorzugten es die Teilnehmer, wenn der
direkte Vorgesetzte den größten Einfluss auf die Entscheidung
hat (vgl. Abb. 2). Einzig bei der Bestimmung des Gehaltspa-
kets gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen dem
HR-Experten und dem Vorgesetzten – in der Regel wird die
Entscheidung über das Gehaltspaket beim Einstieg in einen
neuen Job getroffen, der Vorgesetzte konnte also noch keinen
großen Wissensvorsprung vor dem HR-Experten aufbauen.
Der Algorithmus sollte wieder in allen Fällen den geringsten
Einfluss auf die Entscheidung haben, auch wenn der Mittel-
wertunterschied zwischen Algorithmus und dem HR-Experten
als Entscheider bei der Leistungsbeurteilung und der Entschei-
dung über den Bonus eher gering war.
Auch bei Entscheidungen im Bereich Personalentwicklung
und Karriere zeigt sich, dass die Teilnehmer es bevorzugen,
wenn der größte Teil der Entscheidung bei einem direkten
Vorgesetzten liegt (vgl. Abb. 3). Darauf folgen wieder der HR-
Experte und der Algorithmus. Der Unterschied zwischen dem
Algorithmus und dem HR-Experten war am größten bei den
Themen Entlassung, Beförderung und der Übertragung von
Führungsverantwortung.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es die Teilnehmer
bei fast allen Entscheidungen entlang des Employee Life Cycles
bevorzugen, wenn die sie betreffenden Entscheidungen eher
von einem Menschen als von einem automatisierten Algorith-
mus beeinflusst werden. Hierbei präferieren es die Teilnehmer
in fast allen Fällen, wenn die Hauptverantwortung bei ihrem
direkten oder potenziellen Vorgesetzten liegt.
Frage 2: Welche Motive vermuten Mitarbeiter, wenn KI im
Kontext mitarbeiterbezogener Fragen eingesetzt wird?
Die Teilnehmer der Fragebogenstudie wurden gefragt, warum
eine Organisation Algorithmen bzw. Menschen für mitarbei-
terbezogene Entscheidungen einsetzt. Sie konnten angeben,
inwieweit sie bestimmte Gründe dem Einsatz von Algorithmen
zuschreiben. Für 7 verschiedene Gründe konnten sie auf einer
Skala von 1 bis 5 (1 = „stimme überhaupt nicht zu“ und 5 =
„stimme voll und ganz zu“) beurteilen, ob bspw. „Kostenre-
duktion“ Grund für den Einsatz maschineller Entscheider ist.
Alle Fragen wurden zu Kontrollzwecken auch für den Einsatz
menschlicher Entscheider abgefragt, um Mittelwertunter-
schiede ermitteln zu können. Die ausgewählten Gründe basie-
ren auf einer von uns erweiterten Skala von Nishii et al. (2008).
Während die Befragten dem Einsatz von Algorithmen für
mitarbeiterbezogene Entscheidungen signifikant stärker Grün-
de wie Kostenreduktion, innovative Wirkung sowie Anpassung
an andere Unternehmen zuschreiben, werden dem Einsatz
menschlicher Entscheider signifikant stärker Gründe wie Ent-
scheidungsqualität, das Wohlbefinden von Mitarbeitern und
die Einhaltung von Richtlinien wie z. B. demGewerkschaftsver-
trag zugeschrieben. Keine signifikanten Unterschiede gibt es
hingegen beim Ausnutzen von Mitarbeitern als Grund für den
Einsatz von maschinellen oder menschlichen Entscheidern.
Frage 3: Wie fair werden Entscheidungsprozesse mit maschi-
nellen und menschlichen Entscheidern wahrgenommen?
Die Teilnehmer wurden mit einer 7-Item Skala von Colquitt
(2001) nach der wahrgenommenen Fairness von maschinellen
und menschlichen Entscheidungen gefragt. Die Ergebnisse des
T-Tests zeigen, dass maschinelle Entscheidungen gegenüber
menschlichen insgesamt als signifikant weniger fair wahr-
genommen werden. Allerdings ist der Mittelwertunterschied
zwischen maschinellen (M = 3,28) und menschlichen Ent-
scheidungen (M = 3,41) doch sehr klein. Größere Unterschiede
zeigen sich in den einzelnen Facetten wahrgenommener pro-
zeduraler Fairness. Abbildung 5 zeigt, dass auf der einen Seite
Fairness-Aspekte wie Konsistenz und Unvoreingenommenheit
bei Algorithmus-basierten Entscheidungen als höher wahr-
genommen werden, dass auf der anderen Seite bei Fairnes-
saspekten wie Akzeptanz, Ausdrucksmöglichkeit sowie der
eigenen Einflussmöglichkeit auf die Entscheidung maschinelle
Entscheider signifikant niedriger bewertet werden als mensch-
5
4
3
2
1
Gehalts-
paket*
Leistungs-
beurteilung*
Bonus-
zahlung*
Gehalts-
erhöhung*
Quelle: Eigene Darstellung
Abb. 2:
Mittelwerte bei Entscheidungen im Performance
Management und bei der Vergütung
3,76
3,27
3,29
3,47
2,90
2,85
2,93
2,93
3,69
4,11
3,98
4,01
HR-Experte (Mittelwert)
Vorgesetzter (Mittelwert)
Algorithmus (Mittelwert)
Bemerkung: n = 325; * signalisiert einen signifikanten Mittelwertsunterschied zwischen
dem Algorithmus und dem HR-Experten; Skala: 1 = zu einem geringen Umfang; 5 =
größtenteils
1...,8,9,10,11,12,13,14,15,16,17 19,20,21,22,23,24,25,26,27,28,...60
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