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PERSONALquarterly 03/19
SCHWERPUNKT
_KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IN HR
A
lgorithmen sind derzeit in aller Munde, obwohl ein
Großteil der Deutschen nicht weiß, was ein Algo-
rithmus ist oder macht (Fischer/Petersen, 2018,
S. 30). Im Personalwesen wird aktuell unter dem
Stichwort „Robot Recruiting“ der Einsatz von Algorithmen für
die Personalbeschaffung diskutiert
1
– speziell im Bereich der
Eignungsdiagnostik
2
oder für People Analytics.
3
Bereits im Jahr
2013 wurde erstmals in den USA von einem namhaften Tech-
nologieunternehmen berichtet, dass bei Versuchen Computer
bessere Entscheidungen als menschliche Recruiter getroffen
haben. Das Management erwog daher, auf die menschliche
Interaktion im Bewerbungsprozess (dort für ein Callcenter)
vollständig zu verzichten.
4
In Deutschland bzw. in der EU ist
der Einsatz von Algorithmen insbesondere am Datenschutz-
recht zu messen, da automatisiert personenbezogene Daten
verarbeitet werden. Darüber hinaus sind (zwingende) Mitbe-
stimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Ferner kann
das Persönlichkeitsrecht verletzt sein, etwa wenn durch die Er-
hebung von „Belastungsstatistiken“ ein unverhältnismäßiger
„Überwachungsdruck“ erzeugt wird.
5
Der folgende Beitrag zielt darauf ab, die wichtigsten arbeits-
rechtlichen bzw. datenschutzrechtlichen Aspekte beim Einsatz
von Algorithmen für Personalmaßnahmen aufzuzeigen und
erste Lösungsansätze für die Praxis an die Hand zu geben.
Bevor das Thema vertieft rechtlich analysiert werden kann,
ist es wichtig, die – teils falsch verwendeten oder miteinander
vermengten – Begrifflichkeiten zu definieren, insbesondere,
um eine präzise rechtliche Untersuchung zu ermöglichen.
Begriffsdefinition: Algorithmus
Immer wenn ein Mensch ein elektronisches Gerät nutzt, sind
Algorithmen im Spiel (Fischer/Petersen, 2018, S. 6). Nichts-
destotrotz haben lediglich 31% der Deutschen eine ungefähre
Vorstellung davon, was ein Algorithmus ist. 56% können mit
dem Begriff Algorithmus kaum etwas anfangen (Fischer/Pe-
tersen, 2018, S. 14).
Rechtliche Aspekte beim Einsatz von KI in HR:
Wenn Algorithmen entscheiden
Von
Benjamin Blum
und
Prof. Dr. Friedemann Kainer
(Universität Mannheim)
Dabei ist ein Algorithmus nichts Besonderes, sondern
schlicht eine „Anleitung zur Lösung einer Aufgabenstellung“
(Pomberger/Dobler, 2008, S. 29). Er kann – vereinfacht ge-
sagt – definiert werden als ein „schrittweises Problemlö-
sungsverfahren“ (Pomberger/Dobler, 2008, S. 33). Für jede
Funktion eines elektronischen Geräts wird ein Algorithmus
eingesetzt. So braucht es bspw. einen Algorithmus, wenn man
beim Smartphone auf eine Taste drückt, damit das Display
hell wird und die Befehle an die entsprechenden Hardware-
Komponenten weitergegeben werden. Wenn ein Computer
Bewerber im Bewerbungsprozess aufgrund des Nichterfül-
lens von Mindestanforderungen (z. B. Bildung) aussortiert,
ist ebenfalls ein Algorithmus am Werk (Fischer/Petersen,
2018, S. 6).
Begriffsdefinition: Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz (kurz: KI, oder vom englischen Be-
griff Artificial Intelligence abgeleitet: AI) taucht in diesem
Zusammenhang ebenfalls vermehrt auf. Eine einheitliche
Definition besteht hingegen nicht (Holtel/Hufenstuhl/Klug,
2017, S. 9). Nach Alan Turing ist eine Maschine als intelli-
gent einzustufen, wenn ein Mensch, der mit einem Computer
kommuniziert, diesen nicht mehr als Computer identifizieren
kann (Turing, 1950, S. 433). Diese Definition hilft jedoch für
die praktische Diskussion um den Einsatz von KI in HR nur
bedingt weiter. Hier wird der Begriff oft bereits dann verwen-
det, wenn Algorithmen auf Basis vorprogrammierter Abläufe
Aufgaben erledigen, die bislang von Menschen erledigt wur-
den, und grundsätzlich, wenn auch mit hohem Zeitaufwand,
immer noch erledigt werden könnten (z. B. extensives Re-
porting). Andere sprechen von intelligenten Systemen erst
dann, wenn Algorithmen verwendet werden, die sich mittels
maschinellen Lernens – z. B. über neuronale Netze – selbst
optimieren, mithin rechenintensive Aufgaben erledigen,
die ein Mensch in dieser Form nicht erledigen könnte (z. B.
Prescriptive Analytics oder Advanced People Analytics) und
deren Lösungen für Menschen oft nicht exakt nachvollziehbar
sind (vgl. Mühlbauer/Huff/Süß, 2018, S. 110).
Letztere KI-Systeme werden bislang – soweit für die Ver-
fasser erkennbar – (noch) nicht für Personalentscheidungen
1
Petry, T.: Roboter sucht Kollegen, personalmagazin 02.19, S. 26 ff.
2
Stehr, C.: Schnelle Nummer, personalmagazin 02.19, S. 30 ff.
3
Siehe hierzu: Reindl, C./Krügl, S. (2017).
4
Peck, D.: They’re Watching You at Work, The Atlantic, December 2013.
5
Siehe etwa BAG, NZA 2017, 1205 (1209 ff.).