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PERSONALquarterly 04/16
NEUE FORSCHUNG
_REKRUTIERUNG
Lohn (62%). Während die Reihenfolge der Nennungen variiert,
sind die Unterschiede zwischen der Häufigkeit der Nennungen
einzig beim Lohn statistisch signifikant (p<.01).
Auch zwischen Frauen und Männern bestehen Unterschiede
in der Reihenfolge der Nennungen: Nach Jobinhalt und Team
nennen 75% der Frauen an dritter Stelle flexible Arbeitszeit-
modelle und nur 64% der Männer (p<.05). Hingegen nennen
73% der Männer an zweiter Stelle, nach Jobinhalt und vor Team
Entwicklungsmöglichkeiten, während nur 67% der Frauen Ent-
wicklungsmöglichkeiten nennen (n.s.). Nur 48% der Frauen
nennen den Gesamtlohn als relevant für eine Bewerbung, hin-
gegen 59% der Männer (p<.05).
Die drei Faktoren Arbeitsplatzsicherheit, Branche und Kul-
tur werden deutlich weniger oft, nur je von einem Drittel der
Befragten, genannt. Der Standort des Unternehmens ist für
32% der älteren MINT-Fachkräfte von Bedeutung, aber nur für
10% der jüngeren (p<.001). Nur für weniger als zehn Prozent
ist die Reputation (als Employer of Choice bzw. Marktführer)
des Unternehmens von Bedeutung.
Relevante Elemente im Bewerbungsprozess
Stehen bei der Bewerbung noch Jobinhalt und Entwicklungs-
möglichkeiten an erster Stelle, rücken im Bewerbungsprozess
die Personen, mit denen zusammengearbeitet werden soll, ins
Zentrum (vgl. Abb. 3). Den Vorgesetzten oder die Vorgesetzte
kennenlernen wollen 83% der jüngeren und 89% der älteren
MINT-Fachkräfte (p<.05), das Team kennenlernen 74% der jün-
geren und 67% der älteren Kohorte (p<.05). Auffallend aber
auch hier, dass während des Bewerbungsprozesses schon für
61% der jüngeren und 55% der älteren Kohorte das Aufzeigen
von Entwicklungsmöglichkeiten relevant ist (n.s.). Dieser As-
pekt wird von den Jüngeren sogar häufiger genannt als die
Besichtigung des Arbeitsplatzes (56%, beide Kohorten). Die
Arbeitsinstrumente kennenzulernen, ein transparenter Bewer-
bungsprozess oder Probearbeit werden hingegen von unter
20% der Befragten genannt. Für Frauen und Männer sind die-
selben Elemente im Bewerbungsprozess relevant.
DerWunschnach einer optimalenVereinbarkeit zwischenBe-
rufs- und Privatleben wird in der Literatur als zentraler Aspekt
bei der Stellensuche herausgehoben. Wie oben gezeigt, werden
flexible Arbeitszeitmodelle von 65% der Befragten als wichtiger
Faktor beim Entscheid für eine Bewerbung genannt. Abbildung
4 zeigt, getrennt nach Kohorten, welche spezifischen Aspekte
flexibler Arbeitsbedingungen als relevant genannt werden.
Drei Aspekte stechen dabei heraus. So bezeichnen 92% der Be-
fragten einen flexiblen Arbeitsbeginn und -ende als eher oder
sehr wichtig, 87% die Möglichkeit, Überzeit zu kompensieren
und 88% die Möglichkeit, frei für private Bedürfnisse nehmen
zu können (z.B. für einen Arztbesuch oder für spontane sport-
liche Betätigungen bei schönemWetter). Etwas weniger häufig,
aber immer noch von über 50% der befragten MINT-Fachkräfte,
werden die Möglichkeit von Teilzeitarbeit (57%) oder Home
office (56%) als eher oder sehr wichtig bezeichnet. Es folgen die
Möglichkeiten, unbezahlten Urlaub (50%), längere Ferien als
Arbeitszeitausgleich (36%) oder ein bezahltes Sabbatical (30%)
nehmen zu können. Jobsharing bezeichnen schließlich 14% als
eher oder sehr wichtig. Im Vergleich der beiden Kohorten zeigt
sich, dass es für die jüngeren MINT-Fachkräfte wichtiger als
für die älteren ist, Überzeit kompensieren (91 vs. 83%; p<.001)
und frei für private Bedürfnisse nehmen zu können (84 vs. 76;
p<.05) oder einen unbezahlten Urlaub anzutreten (55 vs. 45 %;
p<.05). Hingegen ist es für ältere MINT-Fachkräfte wichtiger
als für jüngere, im Homeoffice arbeiten zu können (47 vs. 66 %;
p<.001), bezüglich Arbeitsbeginn und -ende flexibel zu sein (89
vs. 95%; p<.01) oder ein bezahltes Sabbatical zu nehmen (21
vs. 38%; p<.001).
Für Frauen sind Teilzeitarbeit (78% vs. 52%; p<.001) und die
Möglichkeit eines unbezahlten Urlaubs (65% vs. 46%; p<.001)
wichtiger als für Männer. Bei den anderen Faktoren bestehen
keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die Bedeu-
tung von Homeoffice und Teilzeitarbeit steht mit der Lebens-
phase in Zusammenhang. Teilzeitarbeit ist insbesondere für
Frauen, die in einer Partnerschaft leben, unabhängig vomAlter
wichtig. Homeoffice ist hingegen insbesondere für ältere Mit-
arbeitende, die in einer Partnerschaft leben, unabhängig vom
Geschlecht wichtig.
Schließlich zeigt sich auch, dass MINT-Fachkräfte Optionen,
die sie als wichtig bezeichnen, auch vermehrt nutzen. Dies gilt
insbesondere für Teilzeitarbeit, Homeoffice und Überstunden-
ausgleich. Am wenigsten umgesetzt wird der Wunsch nach
Jobsharing.
Diskussion und Praxisimplikationen
Viele Arbeitgeber stellen sich die Frage, wie sie sich im inten-
sivierten Wettbewerb um knappe MINT-Fachkräfte vorteilhaft
positionieren können und welche Personalgewinnungsstra-
tegien geeignet sind, faktisch oder latent stellensuchende
Fachkräfte gezielt anzusprechen und zu einer Bewerbung zu
motivieren. Auf Basis der Ergebnisse unserer Befragung von
MINT-Fachkräften der Generationen Y und X lassen sich kon-
krete Ansatzpunkte zur Gestaltung der Personalgewinnungs-
praxis formulieren. Die Ergebnisse unserer Befragung zeigen
zunächst keine fundamentalen Unterschiede zwischen den
Alterskohorten, die es rechtfertigen würden, die Personalge-
winnungspraxis systematisch auf Generationen auszurichten.
Allerdings geben die berichteten Ergebnisse klare Hinweise
darauf, wie Personalmarketing- und Rekrutierungsstrategien
zielgruppenadäquat ausgerichtet werden können.
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Das Verhalten der MINT-Fachkräfte bei der Stellensuche lie-
fert wichtige Hinweise zur Ausgestaltung der Rekrutierungs-
praxis. Erstens zeigen die MINT-Fachkräfte einen hohen Grad
an Eigeninitiative und Systematik bei der Stellensuche. Die