PERSONALquarterly 2/2016 - page 51

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rotz vielfacher Bemühungen und Initiativen für Chan-
cengleichheit bleibt die Diskriminierung gegenüber
Frauen und Minderheiten bei der Personalauswahl,
beim Gehalt oder bei Beförderungen ein Problem. So
sind Frauen und Angehörige von Minderheiten insb. in hoch-
rangigen Positionen in den meisten Organisationen nach wie
vor unterrepräsentiert, was häufig auf explizite oder implizite
Diskriminierung zurückgeführt wird. Die Forschungslage ist
bisher noch lückenhaft. Dies betrifft u.a. die Frage, inwiefern
Diskriminierung bereits in der vorbereitenden, informellen
Phase vor einer Bewerbung auftreten kann. Um diese Frage zu
beantworten, haben Milkman, Akinola und Chugh ein Feld-
experiment mit über 6.500 Professorinnen und Professoren
an 259 amerikanischen Universitäten durchgeführt. Die Pro-
fessoren bekamen E-Mails von fiktiven Studierenden, deren
Namen unterschiedliche Merkmale signalisierten (männlich/
Vorauseilende
Diskriminierung
Katherine L. Milkman
(University of Pennsylvania),
Modupe
Akinola
(Columbia University) und
Dolly Chugh
(New York
University): „What happens before? A field experiment explo-
ring how pay and representation differentially shape bias on
the pathway into organizations“. Journal of Applied Psychology,
100 (2015), pp. 1678-1712.
weiblich, weiß oder Angehörige ethnischer Minderheiten). Die
Studierenden baten um einen Termin zur Vorbereitung auf eine
Bewerbung als PhD-Student. Die Autoren bezeichnen solch eine
Situation als „Pathway“, als kritischen Pfad vor der Bewerbung.
Wenn Studierende einen Mentor/eine Mentorin finden, ist der
Erfolg einer Bewerbung als DoktorandIn höher. Es wurde er-
hoben, inwiefern die Lehrenden innerhalb von einer Woche
antworteten. Die Ergebnisse zeigten eine deutliche Präferenz für
Anfragen von männlichen, weißen Studierenden bei sonst ex-
akt demselben Wortlaut der E-Mail. Insgesamt wurden 67% der
fiktiven E-Mails beantwortet. E-Mails von (vermeintlich) weib-
lichen Absendern sowie (vermeintlich) Angehörigen ethnischer
Minderheiten wurden dabei deutlich seltener beantwortet. Dies
zeigt eine Diskriminierung gegenüber Frauen und Angehörigen
ethnischer Minderheiten. Der Effekt war besonders ausgeprägt,
wenn die ProfessorInnen in sehr gut bezahlten Bereichen ar-
beiteten. Überraschenderweise war die Diskriminierung auch
dann nicht geringer, wenn der Professor/die Professorin selbst
in einer Institution tätig war, in der der Frauen- oder Minder-
heitenanteil höher ausfiel. D.h. eine alleinige Erhöhung des Be-
schäftigtenanteils von Frauen oder Minderheiten reicht nicht
aus, um Diskriminierung vorzubeugen. Bewerberinnen und
Bewerber selbst könnten vorbeugen, indem sie möglichst viele
Informationen zu den eigenen Kompetenzen und Qualitäten vor-
weisen und so explizite oder implizite Stereotype widerlegen.
Besprochen von
Dr. Nale Lehmann-Willenbrock,
VU Amster-
dam, Department of Social & Organizational Psychology
D
er in vielen Ländern persistente Gehaltsunterschied
zwischen Männern und Frauen ist ein Thema, das
in der öffentlichen Debatte seit Jahren anhaltend
viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Bisherige Erklä-
rungsansätze führen diesen auf Unterschiede im Humanka-
pital, Diskriminierung gegen Frauen, den Mutterschutz oder
geschlechtsspezifische Unterschiede in den Präferenzen, z.B. in
Wettbewerbssituationen zu treten, zurück. Welche Rolle dabei
unterschiedliches Verhalten bei möglichen Gehaltsverhand-
lungen spielt, untersuchen die Wissenschaftler in dieser Studie.
Im Rahmen einer Feldstudie schrieben die Wissenschaftler zu-
nächst 18 neu zu besetzende Stellen in verschiedenen Städten
Frauen und Gehalt
Andreas Leibbrandt
(Monash University),
John A. List
(Uni-
versity of Chicago): „Do Women Avoid Salary Negotiations?
Evidence from a Large-Scale Natural Field Experiment“. Ma-
nagement Science, 2015, Vol. 61, No.9,pp 2016-2024.
innerhalb der USA aus. Nachdem fast 2.500 Bewerber Interesse
an einer der Stellen bekundet hatten, variierten die Forscher
ein wichtiges Detail bezüglich des Arbeitsvertrags. Während
bei einer zufällig ausgewählten Gruppe die Verhandelbarkeit
des Stundenlohns erwähnt wurde, stand diese Information
nicht im Arbeitsvertrag der zweiten zufällig ausgewählten
Gruppe. Die Resultate zeigen, dass wenn der Arbeitsvertrag
keinen expliziten Hinweis über die Verhandelbarkeit des Ge-
halts enthält, Frauen weniger häufig über ein höheres Gehalt
verhandeln als Männer. Wird im Arbeitsvertrag jedoch explizit
die Möglichkeit einer Gehaltsverhandlung erwähnt, ist kein
Geschlechtsunterschied mehr im Gehalt beobachtbar. In die-
sem Fall initiierten Frauen ebenso häufig wie Männer eine
Verhandlung über ihr Salär. Die Forscher ziehen aus den Re-
sultaten den Schluss, dass schon kleine Änderungen in der Ge-
haltsbeschreibung die Gehaltsunterschiede im Arbeitsmarkt
beeinflussen können.
Besprochen von
Katharina Laske
, Seminar für ABWL und
Personalwirtschaftslehre, Universität zu Köln
1...,41,42,43,44,45,46,47,48,49,50 52,53,54,55,56,57,58,59,60
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