PERSONALquarterly 2/2016 - page 58

58
SERVICE
_FORSCHERPORTRÄT
/16
Politik und Personalwirtschaft
Kennzahlen gewinnen in der Personalforschung an Gewicht. Auch durch praxisnahe
Personalökonomen wie Professor Martin Schneider an der Uni Paderborn.
Ruth Lemmer
,
Freie Wirtschaftsjournalistin, Düsseldorf
D
ie Architektur von Büroarbeitsplätzen, die soziale
Einstellung von Topmanagern, die Spaltung der Ar-
beitswelt in automatisierte und hoch qualifizierte
Jobs beschäftigen Martin Schneider. Der Professor
im Fach Personalwirtschaft an der Universität Paderborn ist
Mitglied im NRW Forschungskolleg „Gestaltung von flexiblen
Arbeitswelten“. Er leitet außerdem die Studiengänge Interna-
tional Business Studies. Und im vergangenen Oktober hat er
den Vorsitz der Kommission für Personalwesen im Verband
der Hochschullehrer der Betriebswirtschaft übernommen, wo
der Netzwerker mit seinen Kollegen die Erforschung der prak-
tischen Personalarbeit ebenso vorantreiben will wie die Gestal-
tung von Personalaufgaben in der digitalisierten Wirtschaft.
„Der Austausch zwischen Vertretern der psychologischen, so-
ziologischen und personalökonomischen Strömungen in der
Wissenschaft führt zu interessanten Ansätzen“, ist Schneider
sicher. Neue Ideen reizen den Forscher. Deshalb haben Studie-
rende durchaus Chancen, eigene Themen zu starten – wie ein
wissenschaftlicher Mitarbeiter, der für die verarbeitende In-
dustrie in Subsahara-Afrika die Wirkung von Bildungsstand,
Topmanagement, Gesetzen und Korruption auf die Unterneh-
mensproduktivität untersucht.
Geboren in Trier blieb Martin Schneider der rheinland-
pfälzischen Römerstadt bis zur Habilitation treu. Freilich
nicht, ohne schon als Volkswirtschafts- und Politikwissen-
schaftsstudent einige Semester im britischen Birmingham
zu verbringen. Dort faszinierte ihn die Kopplung von Sozial-
geschichte und Personalthemen – etwas, das in Deutschland
Mitte der 80er-Jahre noch exotisch war. Zurück in Trier spe-
zialisierte sich der Diplom-Volkswirt auf Personalökonomie,
wie sie am Institut für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen
der Europäischen Gemeinschaft an der Uni Trier betrieben
wurde. 1998 promovierte der Jungakademiker mit einem
deutsch-britischen Vergleich zu „Personalanpassungen als
Risikomanagement“. Als Akademischer Rat und nach einem
Forschungsaufenthalt an der kalifornischen Universität in
Berkeley habilitierte Martin Schneider 2003. Er untersuchte
die Performance von Landesarbeitsrichtern – ihre Biogra-
fien, ihr Tempo, die Stabilität ihrer Entscheidungen. „Das war
damals ein Nischenthema“, so der Forscher. „Heute greifen
Kollegen in Portugal, Italien und Südamerika ökonomische
Kennzahlen für die Beurteilung von Gerichten auf.“
Controlling ist auch an seinem Lehrstuhl in Paderborn
zentraler Ansatz in gleich drei Schwerpunkten: Arbeitsbezie-
hungen in multinationalen Konzernen, Personalwesen von
der Beurteilung bis zur Teamdiversität, Wechselbeziehung
zwischen Politik und Personalwirtschaft. Schneider und sein
Forscherteam rücken immer nah an die Unternehmen heran,
werten aber auch Daten aus der soziologischen und gesell-
schaftlichen Perspektive aus. Etwa bei Arbeit 4.0, wo sich
Qualifikationsprofile verändern, in Deutschland aber die du-
ale Ausbildung mit ihren Facharbeitern eine wichtige Rolle
spielt, während in Großbritannien unter dem Einfluss der
Gewerkschaften weiterhin eher tayloristisch gedacht wird.
„Industrie 4.0 bietet uns viele Themen“, so der Forscher voller
Tatendrang.
PROF. DR. MARTIN SCHNEIDER
Professur für Personalwirtschaft
Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
Universität Paderborn
1...,48,49,50,51,52,53,54,55,56,57 59,60
Powered by FlippingBook