Immobilienwirtschaft 4/2019 - page 18

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POLITIK, WIRTSCHAFT & PERSONAL
I
VERBANDSINFORMATIONEN
I
n vielen Stadtregionen sind unsere Wohnungsmärkte aus den Fugen geraten: Mieten
sind rasant gestiegen, bezahlbarer Wohnraumwird zur Mangelware. Doch wer ist da-
für verantwortlich und wer muss handeln? Es gilt, eigene Verantwortung zu überneh-
men, statt sich mit dem Schwarzen Peter zu belügen. Die Immobilienwirtschaft spricht
von „Staatsversagen“, mit Blick auf die Höchstpreisvergabe von Grundstücken oder die
Maßlosigkeit bei Steuern und Abgaben. Die Politik antwortet mit dem Vorwurf von
Profitgier durch Luxussanierung undWuchermentalität. Die Pflicht der Gescheiten ist es
aber, eine Verantwortungsgemeinschaft zu bilden, also handlungsorientierte Bündnisse
für das Wohnen auf allen Ebenen. Dies ist mittlerweile vielfach erfolgreich geschehen.
SICH EHRLICH MACHEN MIT EINEM KOSTEN-TÜV
Die aktuelle Kostendynamik hat viele
Treiber: Wer Sand und Kies verknappt, macht das Wohnen teuer. Wer Bauland knapp
hält, macht dasWohnen teuer. Wer die Grund- oder Grunderwerbssteuerschraube über-
dreht, macht das Wohnen teuer. Wer „Wünsch-dir-was“-Standards festschreibt, macht
das Wohnen teuer. Wer beim Abbruch Deponiepflichten verschärft und gleichzeitig
Deponieraum einschränkt, macht das Wohnen teuer.
Spürbare Erfolge gibt es nur bei einer Verantwortungsgemeinschaft auf kommu-
naler Ebene. Das Ausweisen von mehr Bauland und die Mobilisierung ungenutzter
Grundstücke, Quoten für Sozialwohnungen und Konzeptvergaben sowie das Werben
für Neubauakzeptanz gelingen leichter im kommunalen Bündnis. Die Kommune kann
zudem„Verdichten durchAufstocken“ zumAufbauprogrammmachen undDachausbau,
Aufstockungen und die Umnutzung von Gewerbebauten erleichtern. Auch auf Lidl und
Aldi, Rewe und Edeka lässt sich gut wohnen oder in die Kita gehen.
BERLIN IST DIE AUSNAHME, NICHT DER MASSSTAB
Die Macht der Schlagzeile lenkt zu
oft von der politischen Ohnmacht ab. Mächtig ohnmächtig wirkt die Idee eines Volks-
entscheids zur Enteignung von Wohnungsbaukonzernen, wie sie in Berlin derzeit von
einer Bürgerinitiative angestrebt wird. Steuermilliarden als Entschädigung wären der
Preis für eine gescheiterte Wohnungsbaupolitik. Doch der mediale Berlinfokus darf
nicht zum Brennglas für Deutschland werden. 90 Prozent der Mietwohnungen werden
nicht von mächtigen Konzernen angeboten, sondern von kommunalen Wohnungsun-
ternehmen, Genossenschaften und vor allemvon Privateigentümern. DerenMotivation
ist in Zukunft unverzichtbar für ein angemessenes und bezahlbaresWohnraumangebot.
SACHLICHER GESAMTFAHRPLAN NOTWENDIG
EineWohnungsbaupolitik ist dann nachhal-
tig, wenn sie zumindest für ein Jahrzehnt verlässliche Rahmenbedingungen garantiert.
Neben Schwarmstädten und Ballungsräumen muss auch die Ankerfunktion von Pro-
vinzstädten gestärkt werden, umgleichwertige Lebensverhältnisse zu sichern undweitere
Abwanderung in dynamische Städte zu verhindern. Die Erschließungmit Glasfaser und
funktionstüchtigen Verkehrswegen ist auch Teil nachhaltigerWohnungsbaupolitik. Nur
mit diesem Bündel an Maßnahmen, der Mitwirkung aller Kräfte aus Politik, Wirtschaft
und Zivilgesellschaft sowie der Einbindung sämtlicher Städte und Regionen lässt sich der
Wohnungsmarkt entspannen. Politik und Verbände tun deshalb gut daran, gemeinsam
und konstruktiv an diesemkomplexenGesamtfahrplan zu arbeiten. Eine weiter emotio-
nalisierte und teils irrationale Debatte führt nur zu unsachgemäßen Scheinlösungen.
Für Erfolg in der Wohnungspolitik ist eine
Verantwortungsgemeinschaft auf kommu-
naler Ebene nötig, so Michael Groschek
Weiße Weste statt Schwarzer Peter
«
Michael Groschek, Präsident des Deutschen Verbands für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V.
Rahmenbedingungen
In einer emotionalisierten
Debatte zur Wohnungsbaupo-
litik sind Vernunft, ganzheit-
liche Maßnahmenbündel und
Bündnisse nötig und keine
irrationalen Scheinlösungen.
Foto: DV, Manuela Schaedler
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