Immobilienwirtschaft 5/2019 - page 45

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5.2019
Soll das Bestellerprinzip, das seit 2015 bei Mietwohnungen gilt, auch auf den Wohnungskauf
übertragen werden? Das wird in der Immobilienbranche aktuell kontrovers diskutiert.
Ein Pro und Contra von
Prof. Dr. Winfried Schwatlo
FRICS und
Jürgen Michael Schick
MRICS.
Fotos: Hoffotografen; Nuertingen-Geislingen University
CONTRA
Was das so genannte Besteller-
prinzip bei Kaufimmobilien so
fragwürdig macht, ist vor allem,
dass die Politik damit denMenschen etwas vorgaukelt. Sie gaukelt
ihnen vor, sie würde Wohnungskäufer unterstützen und dafür
sorgen, dass sichmehr MenschenWohneigentum leisten können
und werden. Das wird so aber nicht eintreten, nichts wird besser
werden durch eine Einführung des Bestellerprinzips.
Wie bei der Diskussion um Enteignungen sollen auch beim
Bestellerprinzip Unternehmen für den Nachfrageüberhang ver-
antwortlich gemacht werden. Beides entstammt der gleichen
Denke: Mit Deutsche Wohnen & Co. wird der Sündenbock für
steigendeMieten bei großenVermietern gesucht. Mit demBestel-
lerprinzip ist es der Makler, weil auch die Preise für Eigenheime
steigen. Dafür geben wir uns aber nicht her.
Teile der Politik, darunter die Bundesjustizministerin Kata-
rina Barley (SPD), wollen sich nun mit dem Bestellerprinzip als
Vorkämpfer für die Interessen der Wohnungskäufer stilisieren.
Es ist allerdings jetzt schon so, dass nur etwa 40 Prozent der Ei-
genheimverkäufe inDeutschland durchMakler vermittelt werden
– und bei einemGroßteil dieser Vermittlungen wird die Makler-
provision gerecht zwischen Käufer und Verkäufer aufgeteilt. Zu
einer signifikanten Maklerkostenersparnis würde das Besteller-
prinzip also nur für die wenigstenWohnungskäufer führen. Doch
imGegenzug müssten dann so gut wie alle Wohnungskäufer mit
höheren Kaufpreisen rechnen.
DennVerkäufer, die einenMakler komplett bezahlenmüssten,
würden die Zusatzkosten einpreisen; Verkäufer, die ohne Makler
verkaufen, würden ihre eigenen Vermarktungskosten und noch
einen Bonus einpreisen, weil sich der Käufer ja scheinbar die
Maklerkosten spart. Die Kaufpreise würden also steigen, was
wiederumdie Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer
nach oben treibenwürde. Der Käufer hätte keine finanziellenVor-
teile, aber den großen verbraucherschutztechnischen Nachteil,
dass ihm die Beratung eines Experten abhandenkommen würde.
Die Bundesjustizministerin sagt: „Wer bestellt, der zahlt. Das
ist nur fair.“ DieWahrheit ist: Ihr Gesetzesvorhaben bewirkt, dass
es keine Suchaufträge mehr durch Kaufinteressenten geben wird.
Jene, die schon als einseitige Interessensvertreter arbeiten, kön-
nen sich derzeit noch aussuchen, für wen sie arbeiten, entweder
für den Verkäufer oder für den Käufer. Das wird in Zukunft nicht
mehr möglich sein. Wer in der Doppeltätigkeit kein geeignetes
Geschäftsmodell für sich erkennt, kann das heute mit seinem
Auftraggeber frei anders vereinbaren und erfolgreich nur für eine
Seite arbeiten. Dazu braucht es aber keines gesetzlichen Zwangs.
Einige Befürworter des „unechten“ Bestellerprinzips sprechen
sich mit einem anderen Argument dafür aus – nämlich, dass es
der Maklerbranche nicht schade, sondern ihr im Gegenteil so-
gar zugutekomme. Es führe zu einer Professionalisierung der
Branche und helfe dem Image des Maklers. Doch genau wie das
irrige Argument, das Bestellerprinzip helfe Wohnungskäufern,
geht auch dieses Argument von der falschenGrundannahme aus.
DerMakler ist nicht das Problemkind auf dem Immobilienmarkt.
DieMaklerbranche braucht keinBestellerprinzip, umprofessi-
onell und seriös zu arbeiten. Der Makler hat sich längst zu einem
allumfassenden Immobilienberater entwickelt. Er berät unter an-
derem hinsichtlich der aktuellen und regionalen Marktsituation
sowie bei technischen, rechtlichen und finanziellen Fragen. Hinzu
kommt, dass Makler nur im Erfolgsfall bezahlt werden, also nie-
mals ohne entsprechende Gegenleistung. Und der Immobilien-
verband Deutschland (IVD) setzt sich für eine weitere Professi-
onalisierung der Branche ein, nämlich für einen verpflichtenden
Sachkundenachweis als Voraussetzung für die Berufszulassung
– den die Große Koalition in der vergangenen Legislaturperiode
übrigens abgelehnt hat. Der IVDnimmt neueMitglieder nur nach
einer umfassenden Fach- und Sachkundeprüfung auf. So würden
wir uns das als Berufszugangsregelung für alleMakler inDeutsch-
land wünschen. Allein die Politik verhindert das.
Übrigens: Die Einführung des Bestellerprinzips bei Kauf
immobilien steht zu Recht nicht im Koalitionsvertrag, die Prü-
fung vonmöglichen Freibeträgen bei der Grunderwerbsteuer für
Käufer von Wohneigentum schon. Doch passiert ist hier nichts
– so viel zur eigenen Verantwortung der Politik.
„Das so genannte Besteller-
prinzip dient nur der Politik.“
Jürgen Michael Schick MRICS,
Präsident Immobilienverband IVD
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