Immobilienwirtschaft 2/2018 - page 13

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2.2018
Mehr Bauland
gemeinwohlorientiert entwickeln
B
auland bildet in wachsenden Großstadtregionen den entscheidenden Kosten- und
Engpassfaktor für den Wohnungsbau. Nach Erhebungen des Bundesamts für Bau-
wesen und Raumordnung stieg dort der Quadratmeterpreis für Eigenheime von
2011 bis 2016 um 42 Prozent auf durchschnittlich 466 Euro. In den teuren Großstädten
zeigt sich die Knappheit auch amRückgang vonGrundstückstransaktionen. Das knappe
Bauland verhindert dort, dass ausreichend neuer Wohnraum entsteht.
Stadtverwaltung und Politikmüssen deshalb vor allemdafür sorgen, dass das Baulandan-
gebot ausgeweitet wird und bestehende Bauflächen bebaut werden. Denn die Knappheit
ist mit selbstverschuldet. Viele Städte haben die Baulandausweisung vernachlässigt.
Mit dem Primat „Innen vor Außen“ ist zudem die Außenentwicklung begrenzt. Viele
Baulücken, Brachen und sonstige un- oder mindergenutzte Flächen lassen sich aber
häufig nur schwer und mit hohem Aufwand mobilisieren.
ZUSÄTZLICHE INSTRUMENTE
Kommunen brauchen zusätzliche Instrumente. Helfen
könnte eine Innenentwicklungsmaßnahme. Mit dieser könnten disperse Flächen mit
Baurecht zu einer gebietsbezogenen, städtebaulichen Gesamtmaßnahme zusammen-
gefasst und mit einer Bauverpflichtung belegt werden. Kommt der Eigentümer dieser
nicht nach, könnte die Kommune das Grundstück zumVerkehrswert erwerben und für
die Bebauung sorgen. Über diesen gebietsbezogenen Ansatz ließe sich die Abwägung
der Gemeinwohlbelange gegen das Eigentumsrecht einfacher begründen.
Neben der Schaffung undMobilisierung von Bauland tragen die Kommunen eine wich-
tige Verantwortung dafür, dass Grund und Boden für Gemeinwohlbelange eingesetzt
wird. Die Gemeinwohlverpflichtung des Grundeigentums hat denselben Verfassungs-
rang wie das Eigentumsrecht. Seit einigen Jahren gewinnt eine aktive und gemeinwohl­
orientierte Liegenschaftspolitik an Bedeutung. Städtische Grundstücke werden vermehrt
über Konzeptvergaben mit sozialen Kriterien veräußert. Zudem erwerben Städte Frei-,
Konversions- oder Brachflächen und setzen beimGrundstücksverkauf auf eine Preisdif-
ferenzierung für unterschiedliche Wohnungs- und Preissegmente. Darüber lassen sich
gemischte Quartiere für verschiedene Einkommensgruppen gestalten.
Auf ähnliche Weise kann die kommunale Planungskompetenz auf privaten Grundstü-
cken genutzt werden. Planungsbedingte Bodenwertsteigerungen sollten für das Gemein-
wohl eingesetzt werden, indem geförderter oder preisgedämpfter Wohnungsbau erfolgt
und notwendige Infrastrukturenmitfinanziert werden. Denn es ist nicht nachvollziehbar,
dass die durch öffentliche Maßnahmen entstandenen Gewinne aus der Bodenwertstei-
gerung beimGrundstückseigentümer verbleiben, die Folgekosten aber durchHaushalts-
mittel finanziert werden. Nachdem lange Zeit nur München solche Baulandmodelle
einsetzte, haben sich diese nun in vielen Großstädten durchgesetzt. Allerdings ist die
Anwendung komplex, weshalb kleinere Kommunen meist davor zurückschrecken.
Sicher, es werden niemals alle zu günstigen Preisen in den wachsenden Städten und
vor allem in den angesagten Stadtvierteln wohnen können. Allerdings ist es für den
Zusammenhalt unserer Gesellschaft von enormer Bedeutung, dass auch dort bezahlbarer
Wohnraum vorhanden ist. Dabei geht es mittlerweile um breite Teile der Mittelschicht.
Die können wir nicht darauf vertrösten, dass es sich außerhalb der Städte günstig leben
lässt. Und auch für unsere historisch gewachsenen europäischen Städte war und ist die
soziale Durchmischung stets ein zentraler Stabilitätsfaktor.
Deutscher Verband
Für
mehr bezahlbaren Woh-
nungsbau müssen Stadtver-
waltung und Politik mehr
Bauland entwickeln und
mobilisieren. Es muss auch
stärker gemeinwohlorien-
tiert eingesetzt werden.
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Dr. Josef Meyer, Vizepräsident des Deutschen
Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau
und Raumordnung e. V.
Dr. Josef Meyer
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